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Die Spezialisierung in Humanbiologie ist etwas gänzlich Neues in der Schweiz, und auch in Europa gibt es nur wenige Universitäten, die «medical biology», wie die Humanbiologie auf Englisch genannt wird, anbieten. Wie kam es zu dieser Pionierleistung?
Ernst Hafen: Kein anderes Fachgebiet hat in den letzten Jahren einen so gewaltigen Wandel durchgemacht wie die Biologie, man spricht von einer richtigen biologischen Revolution. Es hat sich gezeigt, dass alles Leben auf dieser Erde aufeine relativ geringe Anzahl grundlegender Prozesse zurückzuführen ist; zum Beispiel steuern die gleichen Gene die Entwicklung von so unterschiedlichen Lebewesen wie Fliegen, Mäusen und Menschen. Diese Erkenntnisse haben nun die Restrukturierung des Biologiestudiums geprägt. Auch die neue Spezialisierung in Humanbiologie verbindet endlich, was zusammengehört: Biologie und Medizin.
War die Neustrukturierung des Biologiestudiums ein Geistesblitz, oder wie kam sie zu Stande?
Andreas Dübendorfer: Die Struktur des Biologiestudiums hat uns schon länger nicht mehr zugesagt. Sie basierte auf einer veralteten Aufteilung in sechs Fächer – in Zoologie, Botanik, Mikrobiologie Molekularbiologie, Anthropologie und Paläontologie. Eine solche Einteilung steht der modernen Auffassung von Biologie im Weg. Heute steht das Verständnis biologischer Prozesse mehr im Zentrum als die einzelne Pflanze oder eine bestimmte Tierart. Das Studienfach heisst in Zukunft einheitlich Biologie und gliedert sich erst nach dem Bachelor-Abschluss in die Master-Studienrichtungen Zell- und Molekularbiologie, Entwicklungsbiologie, Genetik, Mikrobiologie, Pflanzenwissenschaften, Neurowissenschaften, Humanbiologie, Anthropologie, Verhaltensbiologie, Ökologie, Systematik und Evolution, Paläontologie. Die Studierenden können institutsübergreifend aus einer Fülle von Lehrveranstaltungen ihre individuelle Spezialisierung zusammenstellen. Mit dieser grundlegenden Reform haben wir zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Das Biologiestudium an der Universität Zürich ist wieder state of the art und gleichzeitig voll Bologna-kompatibel.
Entstehen aus dem neuen Studiengang auch neue Berufsbilder?
Dübendorfer: In Zukunft wird man nicht mehr unbedingt Zoologe oder Botaniker, sondern zum Beispiel Ökologe, nachdem man sich mit zoologischen, botanischen, umweltwissenschaftlichen und biochemischen Aspekten der Ökologie befasst hat. Das Gros der Biologinnen undBiologen wird sich nicht mehr auf eine Pflanzengruppe oder Tierart spezialisieren, sondern auf umfassende biologische Fragestellungen und Probleme wie Genetik oder eben Humanbiologie.
Hafen: Die Einführung des Master-Studiengangs Humanbiologie eröffnet zusätzliche berufliche Perspektiven. Viele Studierende werden sich sagen, das ist genau das, was mich interessiert: den Menschen mit all seinen biologischen Äusserungen zu studieren. Weil die Humanbiologie viele medizinische Aspekte behandelt, ermöglicht sie insbesondere eine Karriere als Forscher bzw. Forscherin in der klinischen Medizin. Es gibt ein grosses, auch politisches Bestreben, die klinische Forschung aufzuwerten. Diese krankte bisher daran, dass Ärzte ja primär auf eine therapeutische Tätigkeit vorbereitet werden und keine formale Ausbildung in der Forschung erhalten. Mit einem Master in Humanbiologie wird man nun das nötige Rüstzeug mitbringen für die Forschung im medizinischen Bereich, sei das nun an einer Universität oder in der Pharmaindustrie. Daneben stehen einem Humanbiologen natürlich nach wie vor die klassischen Berufe von Biologen offen: universitäre Lehre, Mittelschullehrer, Wissenschaftsjournalismus, Consulting etc.
Was bringt die Studienreform den Biologiestudierenden – neben der neuen attraktiven Spezialisierung in Humanbiologie?
Dübendorfer: In der neuen Biologie wird der Weg vollständig geebnet für institutsübergreifendes Lehren und Lernen. Die Studierenden können ausserdem nach dem Grundstudium problemlos von der Universität, deren Spezialitäten die Humanbiologie, Entwicklungsbiologie, Genetik, Anthropologie, Verhaltens- und Evolutionsbiologie sind, an die Biologie der ETH wechseln, mit den Spezialgebieten Zellbiologie, Biochemie, Bewegungs- und Sportwissenschaften, Bioengeneering – oder umgekehrt. Auch innerhalb der Universität ist der Austausch zwischen der Biologie und der Biochemie gewährleistet. Dann erleichtert das neu eingeführte Kreditpunktesystem dieMobilität innerhalb Europas und den USA. Positiv ist, dass die Studierenden stärker in die Forschung mit einbezogen werden. Erleichterungen sind sicher auch die überschaubareren Prüfungen, die Einführung von internetbegleitetem Lernen und die Aufhebung des Nebenfachzwangs.
Hafen: Das Biologiestudium an der Universität Zürich mit den zwölf verschiedenen Master-Richtungen ist einzigartig vielfältig. Kommt hinzu, dass es im Forschungsplatz Zürich verankert ist, wo Universität und ETH eine international kompetitive Biologie anbieten. Wir betreiben Spitzenforschung hier. Mit unseren Forschungsschwerpunkten in Neurobiologie, Strukturbiologie, Entwicklungsbiologie und Pflanzenbiologie können wir weltweit an der Spitze mitreden.
Die Universität Zürich muss wie alle andern Universitäten sparen. Wie steht es mit der Finanzierung des neuen Studiengangs?
Hafen: Wir haben trotz allgemeinen Sparmassnahmen eine Anschubfinanzierung erhalten und werden nun den Beweis liefern, dass wir diese Gelder gut einsetzen. Ich bin überzeugt, dass wir auch in Zukunft auf diese Mittel zählen können.