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«Kommunikation» ist ein spannender und zugleich problematischer Begriff. Spannend, weil wir mit Handy und Internet zurzeit einen Kommunikationswandel erleben, dessen Auswirkungen wir bislang nur abschätzen können, etwa an der Reduktion der Briefpostzentren oder an der Bilderflut in den Medien. Problematisch aber ist «Kommunikation», weil damit alles und nichts gemeint sein kann. Vielleicht ist Kommunikation kein tauglicher Begriff, weil es das Gegenteil davon nicht gibt. Vielleicht schliesst Kommunikation alles ein, auch das unbewusste Schweigen. Jahrzehnte alt ist diese Kritik an der Weitläufigkeit des Begriffs.
Romy Günthart, Oberassistentin am Deutschen Seminar der Universität Zürich, und Michael Jucker, Assistent am Historischen Seminar, haben es jedoch gewagt zu den Spielarten der Kommunikation im Spätmittelalter eine interdisziplinäre Tagung für junge Forscherinnen und Forscher zu veranstalten. Beide arbeiten zu Kommunikation im Mittelalter: Günthart schreibt an einer Habilitation über den frühen Basler Buchdruck und Jucker hat eben seine Dissertation über die Kommunikation auf der eidgenössischen Tagsatzung abgeschlossen. Die Idee der Tagung war, eine interdisziplinäre und internationale Diskussion anzuregen und ein Forum für den Mittelbau zu bieten. Eingeladen wurden ausschliesslich noch nicht habilitierte Forscherinnen und Forscher. Vertreten waren Historiker, Germanistinnen, Theologen, Kunsthistorikerinnen und Musikhistoriker.
Breit war das Thema und breit auch die Palette der Vorträge. Alan Murray aus Leeds zeigte, wie wichtig die Musik auf dem Schlachtfeld war, um den Gegner einzuschüchtern, sich selber Mut zu machen und vor allem, um die Ordnung der Truppe beizubehalten. «Die Menschen damals waren besessen von der guten Ordnung, nicht nur auf dem Schlachtfeld.» Die Funktion von Kommunikation stand auch bei anderen Vorträgen im Mittelpunkt, etwa bei Sabine Häussermann aus Augsburg, die sich fragte, wie in der spätmittelalterlichen Buchillustration der Dialog zwischen Bild und Betrachter funktioniert. In mehreren Vorträgen wurde der Ort der Kommunikation unter die Lupe genommen. Lucas Burkart aus Basel etwa zeigte am Beispiel von Saint-Denis, wie ein heiliger Ort der Reliquienverehrung von der königlichen Herrschaft erfolgreich inszeniert und verteidigt wird. Matthias Ohm aus Schleswig untersuchte das Ratshaus als Kommunikationsort, wobei von den schön ausgestalteten Lauben im ersten Stock, also von oben herab, die Bevölkerung informiert wurde.Das Spektrum der insgesamt 18 Vorträge reichte aber noch viel weiter, vom Internet als Schlüssel zur Erforschung spätmittelalterlicher Flugblätter über die Balkenmalereien in Basler Altstadthäusern bis zur politischen Kommunikation der Gesandten in der frühen Neuzeit.
Wer und welche Disziplin was unter dem gemeinsamen Nenner, der «Kommunikation», jeweils verstand, war allerdings nicht immer klar, die präsentierten Forschungsresultate nur teilweise Theorie geleitet. Die Organisatoren hatten jedoch bewusst darauf verzichtet, eine Definition von Kommunikation der Veranstaltung voran zu stellen. Dies ermöglichte einen ungezwungenen Dialog ohne theoretische Anfangshürden. Es ermöglichte auch den interdisziplinären Dialog, der am besten und nachhaltigsten über persönliche Kontakte funktioniert. Unklar blieb jedoch bis zum Schluss, ob der Begriff «Kommunikation» interdisziplinär diskutiert werden kann und wie er dazu am besten unterteilt oder definiert werden soll. Einen Versuch wagte der Zürcher Historiker Andreas Kränzle, der den Kommunikationsbegriff Niklas Luhmanns für die Geschichtswissenschaft fruchtbar machen will. Die Schlussdiskussion machte auch deutlich, dass das Bedürfnis nach interdisziplinärem Austausch für junge Forscherinnen und Forscher sehr gross ist und alle mit Gewinn ihre aktuelle Forschung vorstellten. Ein Tagungsband ist geplant.
Kurzinterview mit Romy Günthart und Michael Jucker:
Kommunikation ist ein sehr breiter Begriff, weshalb habt ihr dazu eine Tagung organisiert?
MJ: Um das interdisziplinäre Gespräch anzuregen, braucht es einen weit gefassten Begriff. Ist das Thema zu eng, ist die Gefahr gross, dass nur wenig Forscher aus nur wenig Fächern zusammenkommen. Wir arbeiten beide im weitesten Sinne zu Kommunikation im Mittelalter, deshalb lag dieses Thema nahe.
Weshalb waren keine Professoren eingeladen?
RG: Weil wir bewusst eine Mittelbautagung organisieren wollten. Wenn jemand an einer Dissertation oder an einer Habil schreibt, erfährt man nur selten davon. Die Möglichkeiten, über die eigene Forschung zu diskutieren, sind rar. Um für die Diskussion die Hemmschwelle zu reduzieren, war für uns die Habil ein Ausschlusskriterium.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen, zusammen eine Tagung zu organisieren?
MJ: Wir haben uns vor etwa zwei Jahren an einer Tagung der Zürcher Mediävistik kennen gelernt. Die Idee war zuerst, eine Tagung im kleinen Rahmen zu organisieren, also im Sinne eines roundtable. Dass die Veranstaltung nun grösser war und von vielen Interessierten besucht worden ist, freut uns natürlich sehr.
Ihr legt viel wert auf Interdisziplinarität, ist die Tagung aber nicht etwas historikerlastig?
RG: Ja, wir haben versucht, die Ausschreibung breit zu streuen, doch angemeldet haben sich vor allem Historikerinnen und Historiker. Gefehlt haben etwa die Philosophen. Allerdings hatten wir nicht den Anspruch, die gesamte Palette der Geistes- und Sozialwissenschaften abzudecken.