Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

Die Abwehr besser verstehen

Was passiert, wenn einem Patienten ein artfremdes Organ eingesetzt wird, zum Beispiel Zellen vom Schwein? Die vom Forschungskredit unterstützte Doktorarbeit der Naturwissenschaftlerin Bettina Baumann geht, unter der Leitung des Mediziners Jörg Seebach, dem «Ringen um Leben und Tod» nach.
Claude Kaufmann

Organtransplantationen können Leben retten. Jedoch nicht allen, die ein Organ bräuchten, kann geholfen werden. Denn Organe sind knapp, und entsprechend lang sind die Wartelisten. Immer wieder versterben Menschen, während sie auf ein Organ warten. Die Ursache für die Organknappheit liegt paradoxerweise im Erfolg der Transplantationsmedizin. Dank verbesserter Transplantationstechniken undBehandlungskonzepte können immer mehr Menschen einer Organtransplantation zugeführt werden. Eine gleich bleibende bis rückläufige Spendebereitschaft steht aber der steigenden Nachfrage nach Spenderorganen gegenüber. Die medizinische Forschung sucht deshalb nach Alternativen zur klassischen Organtransplantation. Eine dieser Alternativen könnte die Xenotransplantation sein. Bei der Xenotransplantation werden lebende tierische Organe, Gewebe oder Zellen entnommen und auf den Menschen übertragen.

Rechts oben eine menschliche Immunzelle (eine natürliche Killerzelle), die eine Schweinezelle als artfremd erkennt und angreift.

Immunsystem als Barriere

Ein grosses Problem bei der Xenotransplantation ist die Abstossungsreaktion. Sie kommt zustande, weil das Immunsystem des Organempfängers das neue Organ als fremd erkennt und zu bekämpfen beginnt. Die Abstossung ist bei der Xenotransplantation besonders stark, weil es sich um ein artfremdes Organ handelt. Anders als bei der Organtransplantation von Mensch zu Mensch können Medikamente die Abstossung eines tierischen Organs nicht verhindern. Die Transplantation ganzer Organe vom Tier auf den Menschen ist deshalb zum heutigen Zeitpunkt nicht durchführbar.

Bettina Baumann untersucht in ihrer Dissertation unter Leitung des Privatdozenten Jörg Seebach, wie es zur Abstossung eines artfremden Organs kommt, welche Komponenten des menschlichen Immunsystems daran beteiligt sind, und wie die Abstossungsreaktion verhindert werden könnte. Die Dissertation wird durch den Forschungskredit der Universität Zürich unterstützt. Die Ergebnisse ihrer Arbeit sollen dazu beitragen, das Abstossungsproblem besser verstehen zu lernen und Lösungsansätze zu formulieren.

Spendertier Schwein

Die Doktorandin verwendet für ihre Arbeiten Zellen vom Schwein. Aus verschiedenen Gründen gilt das Schwein als das vielversprechendste Spendertier, um Zellen, Gewebe oder Organe vom Tier auf den Menschen zu übertragen. So entsprechen die Organe des Schweins in ihrer Grösse in etwa denen des Menschen.

Künstlerische Auseinandersetzung mit der Xenotransplantation.

Vielfältige Anwendungsgebiete

Während die Transplantation ganzer Organe vom Schwein auf den Menschen zur Zeit undenkbar ist, werden einzelne Zellen bereits transplantiert. Die vom Schwein übertragenen Zellen können im Menschen Zellen ersetzen, die defekt, nicht vorhanden oder untergegangenen sind. An der Harvard Medical School in Boston beispielsweise laufen Forschungsuntersuchungen mit Parkinsonpatienten. Den Patienten werden Zellen vom Schwein ins Gehirn verpflanzt, um dort Nervenzellen zu ersetzen, die im Rahmen der Krankheit zerstört worden sind. Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Erfolg dieses Vorgehens noch nicht absehbar. Eventuell werden auch andere häufige Krankheiten wie Diabetes oder Epilepsie mit dieser Methode therapierbar.

Gefahr durch Krankheitserreger

Die heftige Abstossungsreaktion ist nicht das einzige Problem, das bei der Transplantation ganzer Organe vom Tier auf den Menschen eine Rolle spielt. In Tieren vorkommende Krankheitserreger könnten mitübertragen werden. Es besteht somit theoretisch die Gefahr, dass unbemerkt Krankheitserreger in den Menschen gelangen und neue Krankheiten hervorrufen. Da das Immunsystem von transplantierten Patienten mit Medikamenten gedämpft werden muss, um die Abstossung des Organs zu verhindern, bieten gerade diese Patienten günstige Bedingungen für die Übertragung eines Krankheitserregers. Im schlimmsten Fall könnten Organempfänger die eingeschmuggelten Krankheitserreger an Mitmenschen weitergeben. Kritiker der Xenotransplantation befürchten, dass so neue Seuchen entstehen könnten. Der zweite Forschungsschwerpunkt der Xenotransplantation beschäftigt sich deshalb mit Tests, die das Infektionsrisiko bei der Organtransplantation verringern. Dank hochempfindlicher Methoden kann heute eine Vielzahl von Krankheitserregern auch in niedrigsten Konzentrationen nachgewiesen werden. Intensiv wird an neuen Spürmethoden geforscht, die in der Lage sind, auch unbekannte Erreger nachzuweisen.

Gesellschaftliche Diskussion notwendig

Aus tierethischer Sicht stellt sich die Frage, ob die Xenotransplantation gerechtfertigt ist. Insbesondere bei der Verpflanzung ganzer Organe stehen sich die Interessen von Tier und Mensch entgegengesetzt gegenüber. Eine sorgfältige Güterabwägung ist notwendig.

Die Gesellschaft als Ganzes wird entscheiden müssen, ob und unter welchen Bedingungen sie die Xenotransplantation akzeptiert, im Speziellen die Transplantation ganzer Organe.