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Philosophie Festival

Mensch oder Maschine

Im Rahmen des 6. Zürcher Philosophie Festivals vom 25. bis 27. Januar 2024 diskutiert Lea Chilian über ethische Fragen im Umgang mit KI. Wir haben mit der Wissenschaftlerin vom Institut für Sozialethik vorab über den moralischen Gehalt von Werbespots und unser Vertrauen in Maschinen gesprochen.
Alice Werner
Auch beim 6. Zürcher Philosophie Festival sind Forscherinnen und Forscher der UZH beteiligt.

Dass im Rahmenprogramm zum Philosophie Festival Werbefilme besprochen werden, erstaunt. Werbung und Marketing bringt man gemeinhin mit den Stichwörtern Konsum, Image, Zugehörigkeit, Status, Identität etc. zusammen – aber nicht mit philosophischen Hintergedanken. Was haben Werbespots mit Philosophie zu tun?

Lea Chilian: Werbefilme sind Spiegel der Alltagskultur und verraten dementsprechend viel über den herrschenden Zeitgeist, über Stil und Moral, über gesellschaftliche Wertevorstellungen, aktuelle Diskurse, das Selbstverständnis der Geschlechter, über Umgangsformen und aktuelle Diskurse. Insofern eignen sie sich sehr gut, um niederschwellig in philosophische und ethische Debatten einzusteigen.

Sie werden einen philosophischen Blick auf den Schweizer Werbespot «Der Robo-Lupf» werfen. In der Kampagne von Jung von Limmat für die Mobiliar (2022) fordert ein Roboter den helvetischen Sportheld und Schwinger Christian Stucki versehentlich zum Kampf heraus. Welche philosophischen Themen verstecken sich im Spot?

Lea Chilian: Im «Robo-Lupf» geht es darum, wie Menschen und automatisierte Systeme miteinander interagieren. Der Werbefilm regt u.a. dazu an, darüber nachzudenken, wer bei automatisierten Prozessen am Ende die Verantwortung trägt für bestimmte Handlungen, Szenarien oder auch für Unfälle. Wie gross ist unser Vertrauen in Maschinen, und was können wir KI zutrauen? Können Roboter verlässliche Partner des Menschen sein?

Lea Chilian

Unser Vertrauen in technologische Entwicklungen ist erstaunlich gross.

Lea Chilian
Ethikerin

Wie kommt es, dass wir Menschen überhaupt Vertrauensbeziehungen zu Maschinen eingehen?

Lea Chilian: Wir sind soziale Wesen und auf die Interaktion, die Kommunikation und die emotionale Nähe zu anderen Lebewesen angewiesen. Dieses Prinzip übertragen wir nicht nur auf Menschen, Tiere und Pflanzen, sondern auch auf Maschinen. Unserem Verhalten im Internet nach zu urteilen, fällt es uns erstaunlich leicht, technologischen Entwicklungen und elektronischen Diensten zu trauen – Dating-, Fitness oder Gesundheitsapps beispielweise geben wir recht freizügig intime Daten preis.

Gleichzeitig trauen wir diesen Prozessen zu, dass sie unser Verhalten entsprechend belohnen. Eine Maschine hat zwar kein Gewissen und auch keinen moralischen Kodex, aber sie ist nach definierten Regeln programmiert, über die sie sich nicht hinwegsetzen kann. Das schafft Vertrauen, öffnet aber auch einen Raum für Täuschung, Manipulation und Betrug – nicht durch die Maschine, sondern durch den Menschen, der hinter der digitalen Anwendung steht. Daher ist es enorm wichtig, technische Entwicklungen fortlaufend ethisch zu begleiten.

Das Festivalthema lautet in diesem Jahr: «Es ist Zeit». Wie verstehen Sie das Motto?

Lea Chilian: Zunächst affirmativ, im Sinne von «Jetzt ist dringend Zeit zu handeln»  – vor allem in Bezug auf klimaethische Fragen. Zugleich spricht das Thema aber auch Facetten des Zeitnehmens und des Zeithabens an – in Bezug auf die Klimadebatte also die Überzeugung, noch genügend Zeit zum Handeln zu haben. Die unterschiedlichen Auffassungen von Zeit sind kennzeichnend für den aktuellen Generationenkonflikt, der sich u.a. an Klimafragen entlädt.

Ein ähnlicher Konflikt betrifft die rasante Entwicklung von Methoden der Künstlichen Intelligenz. Während die einen darüber diskutieren, wie man bei der Digitalisierung möglichst rasch aufholen kann, sprechen sich andere dafür aus, in die entgegengesetzte Richtung zu schreiten und eine Pause bei der Weiterentwicklung der digitalen Technik einzulegen. Am Thema Zeit lassen sich aber auch noch eine ganze Reihe weiterer ethischer und philosophischer Streitfragen aufhängen – einen Blick ins Programmheft des Philosophie Festivals kann ich nur empfehlen.

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