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Die Magnetresonanztherapie (MRT) ist aus der Medizin nicht mehr wegzudenken. Sie erlaubt einmalige Einblicke in den Körper und die Diagnose verschiedener Krankheiten. Allerdings hat die MRT-Bildgebung ihre Beschränkungen: So lassen sich damit zwar Struktur und Funktion von Organen und Geweben abbilden, aber beispielsweise nicht Veränderungen im Stoffwechsel, die bei vielen Krankheiten ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.
Forschende am Institut für Biomedizinische Technik der Universität Zürich und ETH Zürich wollen genau dies jetzt möglich machen: Die Gruppe um Professor Sebastian Kozerke entwickelt die MRT-Technologie so weiter, dass sich damit der Stoffwechsel in Echtzeit darstellen lässt. Die Forschenden fokussieren dabei auf das Herz, dessen Stoffwechsel besonders komplex ist, da es aus einer Vielzahl von Energiequellen auswählen kann.
«Das Herz ist ständig in Bewegung und damit bildgebend eine grosse Herausforderung», sagt Sebastian Kozerke. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass die Moleküle des Stoffwechsels nur in kleinen Konzentrationen vorhanden sind – zu gering, um sie mit der herkömmlichen Magnetresonanztomographie abzubilden. Den Forschenden ist es gelungen, diese Hindernisse zu überwinden – und zwar mithilfe der sogenannten hyperpolarisierten MRT. Diese Methode erlaubt es, das Signal der Stoffwechselmoleküle um einen Faktor von mehr als 25'000 zu verstärken.
Die Gruppe um Kozerke passte die hyperpolarisierte MRT den spezifischen Bedürfnissen der Herzbildgebung und der Darstellung von Stoffwechselvorgängen an. Das Resultat ist ein Gerät in der Grösse eines Kühlschrankes, welches neben einem klinischen MRT-Gerät betrieben wird. Der «Kühlschrank» wird dabei seinem Namen durchaus gerecht: Um die Signalstärke zu erhöhen, werden Zuckerabbaustoffe (Pyruvate) bei -272 Grad Celsius tiefgefroren und anschliessend in einem Magnetfeld unter Einwirkung von Mikrowellen magnetisiert. Wieder auf Körpertemperatur erwärmt, lassen sie sich ähnlich wie herkömmliche Kontrastmittel für die Bildgebung verwenden.
Mit der neuartigen Methode lässt sich erstmals nicht-invasiv und in Echtzeit aufzeigen, wie der Körper Nährstoffe verstoffwechselt – also in für ihn nutzbare Energie umwandelt. Während die herkömmliche MRT nur zeigen kann, ob und wie das Herz pumpt, wird nun auch sichtbar, wie das Herz zu seiner Energie kommt.
Dies im Detail darstellen und verstehen zu können, ist gerade im Zusammenhang mit Herzkrankheiten zentral. Ist der Stoffwechsel gestört, kann dies ein frühes Anzeichen einer Herzkrankheit sein. Beispiel: In der Regel nutzt das Herz Fett als Energiequelle. Besteht ein Sauerstoffmangel, stellt das Herz sofort auf Zucker als Energiequelle um, da dieser weniger Sauerstoff zur Verstoffwechselung benötigt. Können solche Vorgänge bildgebend erfasst werden, erlaubt dies, einen möglichen Sauerstoffmangel frühzeitig zu entdecken. So können bereits die Ursachen von Herzkreislauferkrankungen behandelt werden, nicht erst ihre Auswirkungen.
Die Gruppe um Sebastian Kozerke konnte in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Chirurgische Forschung der Universität Zürich im präklinischen Modell zeigen, dass sich der Stoffwechsel des Herzens mit der von ihnen entwickelten Methode tatsächlich gut darstellen lässt. So war es möglich, die Veränderungen des Stoffwechsels vor und nach einem Herzinfarkt detailliert abzubilden. Es zeigte sich dabei unter anderem, welche Teile des Herzmuskels sich nach dem Infarkt wieder erholen. Die entsprechende Studie hat die Gruppe mit Dr. Maximilian Fütterer als Erstautor soeben im Journal of the American College of Cardiology veröffentlicht.
Inzwischen sind die Forschenden bereits einen Schritt weiter. In Zusammenarbeit mit Professor Robert Manka, dem Leiter Herz-MRI am Herzzentrum des Universitätsspitals Zürich, haben sie eine erste klinische Studie gestartet. Dabei sollen rund 45 Patient:innen mit einer Herzinsuffizienz oder Risikofaktorenuntersucht werden.
«Für uns Medizinerinnen und Mediziner ist es sehr wertvoll, den Stoffwechsel des Herzens sehen zu können. Dies könnte uns in Zukunft ermöglichen, die Diagnose und Prognose einer Herzerkrankung viel gezielter zu stellen – und damit auch die Therapie individueller zu wählen», sagt USZ-Kardiologe Manka. Die neue MRT-Methode könne damit zu einem wichtigen Schritt in Richtung personalisierter Medizin werden. Manka hofft, dass das neuartige Verfahren auch helfen wird, zu verstehen, warum gewisse Menschen nach einem Herzinfarkt viel stärkere Einschränkungen haben als andere: «Wahrscheinlich spielt dabei auch der Stoffwechsel mit, aber das wissen wir bisher nicht. In Zukunft werden wir sehen können, was im Herzmuskel und seinen Zellen wirklich vor sich geht.»
Bis es soweit ist, bedarf es noch einiger Arbeit. Die Methode muss sich in den nächsten Jahren in grösseren klinischen Studien bewähren. Dazu werden die Forschenden um Sebastian Kozerke die Technologie im Prototyp-«Kühlschrank» weiter verfeinern.