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Astrobiologie, Neuroinformatik oder die Literatur des Frühmittelalters sind Fachbereiche, die am Gymnasium höchstens einmal gestreift werden. Wer sich jedoch schon während der Schulzeit intensiv mit Exoplaneten, der Informationsverarbeitung des Gehirns oder der Literatur von Hildegard von Bingen auseinandersetzen möchte, muss nicht bis zum Studium warten, um den eigenen Wissensdurst zu stillen. Denn seit dem Herbstsemester 2018 können leistungsstarke und forschungsinteressierte Gymnasiastinnen und Gymnasiasten aus dem Kanton Zürich während einem oder zwei Semestern an der Universität Zürich reguläre Lehrveranstaltungen besuchen und damit schon vor der Matur einen Einblick in den Unialltag erhalten.
Das Schüler:innenstudium der UZH bietet eine Ergänzung zu bestehenden Förderangeboten der Gymnasien und richtet sich an motivierte Schülerinnen und Schüler, die in der Lage sind, den mit einer Lehrveranstaltung verbundenen Aufwand neben dem Schulunterricht meistern zu können. Seit dem Start des Projekts haben insgesamt 186 Schülerinnen und Schüler aus 22 Schulen ein Schüler:innenstudium absolviert, ein Grossteil von ihnen absolvierte auch die Prüfungen erfolgreich und konnte damit bereits ECTS Credits sammeln, die in einem späteren Studium an der UZH angerechnet werden.
Vor vier Jahren wurde das Schüler:innenstudium an der UZH als Pilotprojekt lanciert, nun mit Beginn des Herbstsemesters 2022 wird es verstetigt. Für diesen Entscheid sprachen laut Gabriele Siegert, Prorektorin Lehre und Studium, nicht nur das grosse Interesse am Programm und die steigenden Teilnehmer:innenzahlen, sondern auch die positiven Rückmeldungen von Seiten der Schülerinnen und Schüler sowie den teilnehmenden Gymnasien. «Das Angebot wird von den Zürcher Gymnasien als stimulierende und motivierende ergänzende Möglichkeit der Begabtenförderung wahrgenommen», sagt Siegert. Zudem werde von den Schulen auch die Zusammenarbeit an der Schnittstelle Hochschule-Gymnasium geschätzt, die für gelingende Bildungswege unabdingbar sei.
Und wie haben die Schülerinnen und Schüler die Teilnahme am Schüler:innenstudium an der UZH erlebt? Naima Geiger, Philipp Wegmann und Sofie Bolleter erzählen.
«Dass ich die Anfrage für das Schülerstudium überhaupt sah, war ein Zufall. Ich war gerade im Austausch in Spanien und öffnete mein Schulmail nur selten. Erst begriff ich gar nicht recht, worum es ging, doch als ich die Broschüre anschaute, meldete ich mich gleich an, weil mich so viele Themen interessierten. Im ersten Semester besuchte ich ein fachübergreifendes Seminar zum Thema «Conciousness: From Philosophy to Neuroscience». Es war ganz anders als der Unterricht im Gymi, wo man einfach Stoff vorgesetzt bekommt. Der Dozent stellte Konzepte vor, forderte uns zur Diskussion auf und wir konnten frei diskutierten. Das hat Spass gemacht.
Es war auch ein cooles Gefühl, das erste Mal an der Uni zu sein. Man kann so viel ausprobieren. Meine Vorfreude ist geweckt.
Ich weiss zwar immer noch nicht, was ich studieren möchte. Aber ich habe jetzt ein deutlicheres Bild davon, was mich erwartet. Die Vorlesung zur Verhaltensbiologie, die ich im Frühlingssemester besuchte, war zum Beispiel abstrakter und detailreicher, als ich mir das vorgestellt hatte.
Was ich am Schülerstudium am besten fand? Zu merken, dass es nicht einfach richtige und falsche Antworten gibt, sondern dass Forschung ein langer Prozess ist, in dem man sich der Erkenntnis in vielen kleinen Schritten nähert.»
«Am Anfang war ich ehrlich gesagt überwältigt. Das Lernen an der Universität ist ganz anders als am Gymi, wo einem genau gesagt wird, was man zu tun hat. Hier ist die Eigenverantwortung viel wichtiger, niemand prüft, ob man da ist, man ist sich selbst überlassen. Gleichzeitig fand ich diese Flexibilität auch toll. Zum Beispiel schaute ich die Wirtschaftsvorlesungen auch als Podcast. Manchmal hatte ich nämlich gleichzeitig Schule und zudem dauert die Fahrt von Winterthur an die Uni und zurück fast länger als die Vorlesung selbst.
Die Vorlesung in Geschichte der Neuzeit im ersten Semester war relativ locker, die Wirtschaftsvorlesung mit integrierter Übung im zweiten Semester hingegen ziemlich streng. Obwohl ich im Gymnasium das Profil Wirtschaft und Recht hatte, war ich noch nicht auf dem erforderlichen Niveau und musste mich in einige Themen des Rechnungswesens einlesen.
Rückblickend wäre es vernünftig gewesen, wenn ich die Lektüreaufgaben jeweils schon vor der Online-Vorlesung erledigt hätte. Ich bin froh, dass sich diese Erfahrung bereits gemacht habe und für mein Studium mitnehmen kann. Überhaupt habe ich einiges über Arbeitstechniken gelernt, das ist sehr hilfreich. Zum Beispiel ist es sinnvoll, laufend Zusammenfassungen zu schreiben. Im Gymi kann man ja gut zwei Tage vor der Prüfung mit dem Lernen beginnen, an der Uni reicht das nie.
Dass man mit dem Professor einen richtigen Experten vor sich hat, der sich sein ganzes Leben lang mit dem Thema befasst hat, hat mir sehr gefallen. Ich freue ich mich schon jetzt sehr auf mein Studium.»
«Als unsere Lehrerin fragte, wer sich für das Schülerstudium interessiere, dachte ich: Das ist nur etwas für Hochbegabte. Doch es gab so viele interessante Themen in der Broschüre. Zudem kann man ein Schülerinnenstudium jederzeit abbrechen ohne Konsequenzen für das späteres Studium. Also sagte ich mir, dass ich nichts verlieren kann und meldete mich an.
Vor dem Start hatte ich die Vorstellung, dass ich an der UZH viel stärker auf mich selbst gestellt sein würde und mich vielleicht auch etwas verloren fühlen würde. Aber das war nicht so. Der Professor, der die Einführung in Neurowissenschaften hielt, war sehr nahe bei den Studierenden und immer für alle Fragen offen. Zudem erhielten wir im Schülerstudium auch alle einen Buddy, falls wir Hilfe brauchten. Meine Buddies waren bereits auf PhD-Stufe und nahmen mich einmal ins Labor mit. Das war toll.
Auch die Einführung in empirische Sozialforschung im zweiten Semester hat mir gefallen, doch da stand meine Studienwahl schon fest: Im September beginne ich ein Studium in Gesundheitswissenschaften und Technologie an der ETH Zürich. Das Schülerstudium war für den Entscheid nicht so wichtig. Wichtig ist, dass ich nun schon ungefähr weiss, wie man sich im Studium gut organisiert. Ich musste Notizen machen, habe auf Prüfungen gelernt und kenne einige Universitätsgebäude von innen. Das sind alles kleine Dinge, aber es nimmt Druck beim Start ins Studium weg. Viele aus meiner Klasse haben ein wenig Angst, dass sie im Studium nicht mitkommen. Ich sehe das viel entspannter.»