Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

Genschere Crispr/Cas

Kinder optimieren – Nachwuchs nach Mass

Mit der Genschere Crispr/Cas lassen sich Erbkrankheiten beseitigen. Theoretisch können Eltern damit ihre Wunschkinder planen. Doch Molekularbiologe Gerald Schwank hat punkto Designer­babys grosse Vorbehalte.
Michael T. Ganz
«Wir Menschen sind kompetitive Wesen, deshalb ist genetische Optimierung ohne wirkliche Not gefährlich.» Gerald Schwank, Genetiker

 

Am 25. November 2018 berichtete der junge chinesische Biophysiker He Jiankui via Youtube von der Geburt der weltweit ersten genveränderten Babys. He Jiankui hatte die Zwillingsmädchen Lulu und Nana vorgeburtlich gegen HIV-Infektion immunisiert, indem er jenen Rezeptor umbaute, an welchem das HIV-Virus normalerweise andockt. Das Experiment schlug haushohe Wellen. Verfrüht, verrückt, verantwortungslos, unethisch, gefährlich – so die Kommentare aus Wissenschaftskreisen.

Tatsächlich hatte He Jiankui mit seinem Eingriff eine rote Linie überschritten, dies auch angesichts der in China geltenden Gesetze. Gut ein Jahr nach seiner Tat, die er selber als Durchbruch in der Genforschung betrachtete, wurde He Jiankui zu drei Jahren Gefängnis und einer Busse von umgerechnet 400 000 Schweizer Franken verurteilt.

Gen-Vandalismus

«Der Eingriff war ganz klar illegal», sagt auch ­Gerald Schwank. Er hat in Wien Genetik studiert und ist seit kurzem ausserordentlicher Professor am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Zürich. Akademisch ist Schwank mit Crispr/Cas gross geworden. Die ursprüngliche Methode bezeichnet er mittlerweile jedoch als «Gen-Vandalismus»: Die molekulare Schere war anfänglich grob, sie zerschnitt gleich beide Stränge der DNA, und bei der anschliessenden Gen-Repa­ratur konnten schwere Fehler entstehen. Heute ist das Schneidwerkzeug präziser geworden. Beim sogenannten Base Editing – einer ersten Weiterentwicklung von Crispr/Cas – trennt die Schere nur einen Strang der DNA, und dies an der für die Genmanipulation richtigen Stelle. Ein Enzym schreibt dann die chemische Basenstruktur des Gens zielgenau um. «Base Editing erlaubt allerdings nur beschränkt Änderungen am Erbgut», sagt Gerald Schwank. Theoretisch liessen sich auf diese Weise rund die Hälfte der Mutationen, die an Erbkrankheiten schuld sind, korrigieren.

Schwank beschäftigt sich deshalb bereits auch mit der zweiten Weiterentwicklung von Crispr/Cas, dem Prime Editing. Dessen Prototyp wurde im Oktober 2020 vorgestellt. Prime Editing arbeitet flexibler als Base Editing; die molekulare Schere kann mehrere Bausteine gleichzeitig austauschen und macht jede beliebige Basenkonvertierung möglich. Mit Prime Editing sollen sich deshalb nahezu 90 Prozent aller bösartigen Mutationen korrigieren lassen. Gerald Schwanks Ziel ist es, Prime Editing so weit zu bringen, dass man damit nicht nur labor­gezüchtete Zellen, sondern auch solche im menschlichen und tieririschen Gewebe reparieren kann.

Wem wird dadurch geholfen? «Mit Genom Editing bekämpfen wir nicht Symptome, sondern können genetische Krankheiten tatsächlich heilen», erklärt Schwank. Kinder, die mit einer schweren Epilepsie oder einer Leukodystrophie zur Welt kommen, hätten dadurch eine Chance auf ein längeres Leben. Aber auch verbreitetere Leiden liessen sich ausmerzen: Statt strikter Diäten oder einer Organtransplantation bei chronischer Leberinsuffizienz gäbe es die Möglichkeit eines genetischen Eingriffs. Gerald Schwank ist da bereits am Experimentieren. Aber: «Im Labor ist die Genschere relativ einfach zu bedienen», sagt Schwank. «Im menschlichen Körper wird es wahnsinnig schwierig sein. Es geht darum, dass einzig das geschieht, was ich möchte, und ja nichts anderes.» Nur allzu rasch können ungewollte Zellmutationen einen Tumor bilden.

Das gilt freilich auch für vorgeburtliche Eingriffe in die Erbstruktur. Die relativ sichere Methode der Präimplantationsdiagnostik wird heute schon prakti­ziert. Leidet ein Elternteil beispielsweise an Chorea Huntington, lässt sich die Erbkrankheit während der In-vitro-Befruchtung aus dem Reagenzglas verbannen, indem ausschliesslich gesunde Eizellen verwendet werden.

Gene der Eltern aufpäppeln?

«Die Crispr-Methode würde noch weiter führen», sagt Schwank. «Mit ihr ­könnte man nicht-mono­genetischen Krankheiten vorbeugen, etwa Alzheimer oder Fettleibigkeit. Da müssen wir aber zuerst wissen, welche Gene es sind, die beim Zustandekommen einer solchen Krankheit zusammenwirken.» In letzter Konsequenz liesse sich vermutlich auch Krebs auf diese Weise eliminieren. Soll man dereinst also menschliche Föten optimieren? Oder im Vorfeld gleich schon die Gene der Eltern aufpäppeln? Dem sogenannten Gene Enhancement steht Gerald Schwank äusserst kritisch gegenüber. «Das Risiko eines Missbrauchs ist bei Crispr/Cas gross. Vielleicht nicht hier in der Schweiz, aber die Genschere funktioniert auf der ganzen Welt, und nicht in allen Ländern ist ihre Anwendung rechtlich geregelt.» Für Schwank kommt die rote Linie für Genom Editing gleich nach schweren Erbkrankheiten; darin sind sich übrigens die meisten Wissenschaftler einig.

«Wir Menschen sind kompetitive Wesen, deshalb ist genetische Optimierung ohne wirkliche Not gefährlich», sagt Gerald Schwank. Eltern würden über Natur und Wesen ihrer Kinder bestimmen. Der Wettbewerb um das optimale Designerbaby wäre lanciert. Reiche könnten sich bessere Kinder leisten als Arme. Menschen würden Veränderungen erfahren, die ihnen später vielleicht zum Nachteil gerieten. Genau diese Themen wollen Schwank und sein Team denn auch im neuen universitären Forschungsschwerpunkt «Human Reproduction Reloaded» aufgreifen und mit Theologen und Juristinnen diskutieren.

Noch arbeitet Schwank vornehmlich mit Mäusen. Was Crispr/Cas mit Menschen macht, ist für ihn schwer vorhersehbar. Eines aber ist klar: Dank den raschen Fortschritten auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz wird es demnächst möglich sein, Gensequenzierungen und Genvaria­tionen rascher zu entschlüsseln und besser zu verstehen. Damit könnte Crispr/Cas dann auch bei komplexen genetischen Erkrankungen helfen. «Vorerst», so Schwank, «dürfte die Genschere aber bei monogenetischen Erkrankungen zum Einsatz kommen. Und dies bei diagnostizierten Patienten, nicht bei ungeborenen Kindern.»

Weiterführende Informationen