Navigation auf uzh.ch
Für viele wildlebende Tiere ist die Abwanderung essenziell, um die eigene Art zu erhalten. Einzelne Tiere müssen ihr Geburtsgebiet verlassen, um sich anderswo niederzulassen und fortzupflanzen. Sie ermöglichen damit den genetischen Austausch zwischen räumlich getrennten Populationen, verstärken gefährdete Bestände und besiedeln neue Gebiete. In einer vom Menschen geprägten Landschaft wird es jedoch immer schwerer, besiedelte Gebiete zwischen den geeigneten Lebensräumen durchqueren zu können. Daher werden vermehrt Wildkorridore errichtet oder Schutzgebiete erlassen.
In Angola, Botswana, Namibia, Sambia und Simbabwe sollen 35 bestehende Nationalparks, Reservate und Schutzgebiete durch Wildkorridore miteinander verbunden werden. Mit einer Fläche von rund 520'000 Quadratkilometern ist das Kavango-Zambezi-Schutzgebiet (KAZA) das grösste terrestrische, grenzüberschreitende Naturschutzgebiet der Welt. Doch entspricht diese Schutzzone auch dem Abwanderungsverhalten der zu schützenden Tiere? Dies untersuchten Forschende der Universität Zürich am Beispiel des afrikanischen Wildhundes – einer Tierart, die zu den am stärksten bedrohten und wanderfreudigsten Tierarten im KAZA-Schutzgebiet gehört.
Der derzeitige Bestand von rund 6'000 Tieren verteilt sich über verschiedene zersplitterte Populationen im südlichen und östlichen Afrika. Wildhunde (Lycaon pictus) leben in Rudeln, die von einem dominanten Paar angeführt werden. Nach der Geschlechtsreife begeben sich die jüngeren Tiere auf die Suche nach paarungsfähigen Artgenossen und einem passenden Territorium, um anderswo ihr eigenes Rudel zu gründen. Ähnlich wie Wölfe legen sie dabei mehrere hundert Kilometer zurück.
«Wir wollen verstehen, welche Routen die Tiere nehmen und ob sich die verschiedenen Populationen im riesigen Kavango-Zambezi-Schutzgebiet vernetzen», sagt Erstautor David Hofmann vom Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften. Die UZH-Forschenden statteten die Tiere mit GPS-Halsbändern aus und analysierten mithilfe der gewonnenen Bewegungsdaten, welche Habitate von Wildhunden bevorzugt oder gemieden werden und durch welche Gebiete geeignete Wildkorridore verlaufen.
Die Resultate zeigen, dass die Mehrheit der identifizierten Korridore innerhalb des Schutzgebiets verlaufen: Der Norden Botswanas scheint dabei zentraler Verbindungspunkt zu sein, ein anderer wichtiger Korridor verbindet die Nationalparks Angolas und Sambias. «Zwar verläuft der Korridor noch durch grösstenteils ungeschützte Gebiete, diese sollen aber im Rahmen KAZA-Initiative unter Schutz gestellt werden», sagt Hofmann. «Dennoch besteht weiteres Potential zur Ausweitung, da mehrere geeignete Routen noch nicht abgedeckt sind.»
Zudem sind nicht alle Gebiete gleich gut als Wildkorridor geeignet. In einigen Ländern kommen die abwandernden Tiere problemlos voran, in anderen Ländern wie etwa in Sambia und Simbabwe stellt die hohe Bevölkerungsdichte mit den Siedlungen, Strassen und der Landwirtschaft das grösste Hindernis dar. Die Forschenden fordern daher, dass auf diese länderspezifischen Unterschiede bei der Umsetzung der KAZA-Initiative besonders geachtet werden sollte.
Die in dieser Studie angewandten statistischen Verfahren und Daten über die Bewegungsmuster bedrohter Tierarten ermöglichen nicht nur für die KAZA-Initiative eine bessere Entscheidungsfindung, sie eignen sich auch als Grundlage zur Schaffung neuer Schutzgebiete oder zur Anpassung bestehender Zonen. Die Ergebnisse unterstreichen, dass das Kavango-Zambezi-Schutzgebiet einen wichtigen Beitrag zum langfristigen Schutz der bedrohten Wildhundbestände im südlichen Afrika leistet und weitgehend den Bedürfnissen der Tiere entspricht. «Letztlich dient ein ausgedehntes Netz von Korridoren nicht nur den Wildhunden selbst. Auch andere Arten wie Löwen, Elefanten oder Geparden, die im gleichen Ökosystem leben, profitieren davon», sagt Hofmann.
David D. Hofmann, Dominik M. Behr, John W. McNutt, Arpat Ozgul, Gabriele Cozzi. Bound within boundaries: Do protected areas cover movement corridors of their most mobile, protected species? Journal of Applied Ecology. 7 May 2021. DOI: 10.1111/1365-2664.13868