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Forschende der Universitäten Zürich und Oxford, der ETH Zürich, der LMU München sowie des BGI Bayreuth haben eine neue Theorie für die Entstehung und Struktur des Sonnensystems entwickelt. Damit lassen sich mehrere Schlüsselmerkmale terrestrischer Planeten wie Erde, Venus und Mars sowie des äusseren Sonnensystems mit Jupiter erklären, ebenso die Zusammensetzung von Asteroiden und Meteoritenfamilien. Die Arbeit stützt sich auf die jüngsten Beobachtungen anderer Sonnensysteme während ihrer Entstehung und auf Laborexperimente zum Isotopen-, Eisen- und Wassergehalt in Meteoriten.
Die Kombination von astro- und geophysikalischen Phänomenen während der Entstehungsphase von Sonne und Sonnensystem verdeutlicht, warum die Planeten des inneren Sonnensystems klein und trocken sind – also wenig Wasser pro Masse beinhalten –, während die Planeten des äusseren Sonnensystems grösser und feuchter sind. Sie erklärt auch die äusserst zahlreiche Meteoritenbildung in zwei verschiedenen Schritten: In einem ersten, frühen Schritt bildeten sich die inneren terrestrischen Protoplaneten. Sie wurden durch starken radioaktiven Zerfall innerlich aufgeheizt und ausgetrocknet. In einem zweiten Schritt spalteten sich die inneren, trockenen Planeten von der äusseren, feuchten Planetenpopulation ab – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Verteilung und die Entstehungsbedingungen von Planeten wie etwa der Erde.
«Das trockene innere Sonnensystem, das sich zuerst gebildet hat, und das spätere, feuchte äussere Sonnensystem wurden schon sehr früh in ihrer Geschichte auf zwei unterschiedliche Entwicklungspfade gesetzt», fasst Letztautor Thomas Hands vom Institut für Computational Science der Universität Zürich zusammen.
Numerische Experimente zeigten, dass sich diese Entstehungsprozesse durch zwei unterschiedliche Phasen der Planetenentstehung erklären lassen. So ergaben jüngste Beobachtungen von protoplanetaren Scheiben um junge Sterne, dass diese relative geringe Turbulenz in ihrem Inneren aufweisen. Unter solchen Bedingungen können die im Gas eingebetteten Staubteilchen effektiv zu deutlich grösseren Körnern anwachsen und so schon früh die ersten Planetenbausteine im inneren Sonnensystem bilden. Eine zweite Phase der effektiven Entstehung solcher Bausteine – Planetesimale genannt – erfolgte dann später weiter draussen im äusseren Sonnensystem.
Die beiden Populationen von Planetenbausteinen zogen weiteres Material aus der umgebenden Scheibe und durch gegenseitige Kollisionen an. So entstanden zwei geophysikalisch verschiedene Arten von sich bildenden Protoplaneten, die durch ihre unterschiedliche Entstehungszeit eine sehr unterschiedliche Menge an radioaktivem Material beinhalteten. Planetesimale des inneren Sonnensystems wurden dadurch stark aufgeheizt, sehr heiss und schmolzen auf. Dadurch bildeten sich schnell Eisenkerne und flüchtige Verbindungen wie Wasser verdampften, was schliesslich zu einer trockenen Planetenzusammensetzung im inneren Sonnensystem führte. Im Vergleich dazu bildeten sich die Planetesimale des äusseren Sonnensystems später und erfuhren daher eine wesentlich geringere innere Erwärmung und somit eine begrenzte Eisenkernbildung und eine geringere Freisetzung flüchtiger Stoffe.
«Diese Erkenntnisse eröffnen neue Wege, um den Ursprung und die Häufigkeit erdähnlicher Planeten in unserer Galaxie zu verstehen», sagt Thomas Hands.
Die Forschung wurde mit Mitteln des Schweizerischen Nationalfonds, der Simons Collaboration on the Origins of Life und des Europäischen Forschungsrats unterstützt.
Tim Lichtenberg, Joanna Drazkowska, Maria Schönbächler, Gregor J. Golabek and Thomas O. Hands. Bifurcation of planetary building blocks during Solar System formation. 22. Januar 2021, Science, 371, 6527. DOI: 10.1126/science.abb3091