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Stefanie Walter: Ich habe mein Pensum vor gut dreieinhalb Jahren auf 80 Prozent gesenkt, um mehr Zeit für die Betreuung unserer beiden Kinder zur Verfügung zu haben. Meine Erfahrungen sind sehr gut: Vom Teilzeitpensum profitieren nicht nur die Familie und ich, sondern auch meine Forschung. Ich habe mehr Zeit, über wissenschaftliche Themen nachzudenken und kreative Projekte zu entwickeln. Entscheidend war, dass wir am Institut mit den frei werdenden 20 Prozent meines Lohnes einen externen Lehrauftrag und eine Aufstockung für meine Postdocs finanzieren konnten und ich dadurch gewisse Aufgaben abgeben konnte. Ich arbeite sicher mehr als 80 Prozent, aber nicht mehr 130 Prozent wie früher.
Christian Schwarzenegger: Für die UZH ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein wichtiges Anliegen. Dazu bieten wir mit der Möglichkeit von Pensenreduktionen auf Stufe Professur schon seit einigen Jahren flexible Lösungen an. Gleichzeitig ist uns natürlich auch die Exzellenz in der Forschung und Lehre wichtig, was bedeutet, dass die Teilzeitmodelle mit diesen Zielen kompatibel sein und die Reduktion ein gewisses Mass nicht überschreiten sollten.
Jörg Kehl: Man muss zur Beantwortung dieser Frage zwischen der Situation vor und nach einer Berufung unterscheiden. Nach Antritt der Stelle bieten wir Professorinnen und Professoren auf einfache und unbürokratische Art an, den Beschäftigungsgrad zu reduzieren. Zum Beispiel zugunsten der Betreuung von Kindern oder Eltern. Dieses Angebot wird genutzt, zwar nicht sehr häufig, aber regelmässig. Vor Antritt der Stelle, also bei Berufungsverhandlungen, spielt das Thema Teilzeitanstellung praktisch keine Rolle. Der Grund liegt vermutlich darin, dass die Kandidatinnen und Kandidaten davon ausgehen, dass ihnen eine entsprechende Frage eher schaden könnte. Das ist schade, weil diese Annahme nicht stimmt.
Walter: Auch bei meiner Berufung an der Universität Zürich im Jahr 2013 war ein reduziertes Pensum kein Thema, weil mir klar war, dass es für die Etablierung eines Lehrstuhls viel Einsatz und Zeit braucht. Ich entschloss mich deshalb erst gut drei Jahre später, als ich von diesen Möglichkeiten der Entlastung gehört hatte, zu einer Reduktion. Ich wollte mehr Zeit für die Betreuung meiner beiden kleinen Kinder zur Verfügung haben.
Ganzfried: Die befragten Personen äussern sich durchwegs sehr positiv und in ähnlicher Weise wie Stefanie Walter. Alle haben ihre Pensen nach der Berufung reduziert, in der Regel auf 80 bis 90 Prozent. Sie arbeiten zwar immer noch überdurchschnittlich viel, aber deutlich weniger als vorher. Als wertvoll empfunden wird die Entlastung durch Ersatzanstellungen, was sich positiv auf die Forschungstätigkeit auswirken kann.
Ganzfried: Die meisten der Professorinnen und Professoren, mit denen wir gesprochen haben, halten es für schwierig, in ihrer Position weniger als 70 oder 80 Prozent zu arbeiten.
Walter: Das kann ich bestätigen. Man hat als Professorin einfach gewisse Aufgaben, die man nicht reduzieren kann: zum Beispiel die Betreuung der Doktorierenden oder die Forschung. Dazu kommen wichtige interne Aufgaben im Instituts- und Fakultätskontext, an denen man mitarbeiten muss. Andererseits gibt es eher administrative und repräsentative Bereiche, in denen eine Entlastung möglich ist, wobei man sich gut überlegen muss, was man abgeben will und was nicht. Man muss ja nicht in allen Kommissionen drin sein und darf auch mal Nein sagen, wenn man angefragt wird. Man muss herausfinden, wo die eigene Person wichtig ist und wo weniger.
Was das Modell der UZH so attraktiv macht, ist, dass man frei über den Lohnanteil verfügen kann, der eingespart wird. Er kann für die Lehre oder andere Bedürfnisse eingesetzt werden, so dass man keine Abstriche bei der Forschung machen muss. Das ist ein Riesengewinn. Ich konnte zum Beispiel zwei Jahre nach der Reduktion einen Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrats ERC einwerben.
Ganzfried: Der Anteil der Geschlechter ist ziemlich ausgeglichen, wobei es geschlechtsspezifische Unterschiede gibt, was die Motivation anbelangt. Tendenziell reduzieren Frauen eher aus familiären Gründen, bei Männern sind es eher andere Verpflichtungen, zum Beispiel in der Politik.
Ganzfried: Es sind noch wenige Leute. Nehmen wir die PhF als Beispiel, dort arbeiteten 2019 sieben Professorinnen und Professoren in einer Teilzeitanstellung. Ich denke, das hat in erster Linie damit zu tun, dass dieses Angebot der Universität und die guten Erfahrungen jener Leute, die es in Anspruch nehmen, noch zu wenig bekannt sind. Denn unser Projekt weist den Bedarf für Teilzeitpensen klar aus. Es geht deshalb darum, das Modell bekannter zu machen und die Leute dafür zu sensibilisieren. Zum Beispiel für Personen mit Kindern oder betagten Eltern oder Leute, die andere ausseruniversitäre Verpflichtungen haben.
Schwarzenegger: Damit es nicht vergessen geht: Wir reden jetzt über Teilzeitanstellungen in Professuren, einer Funktion, die Höchstleistungen in Forschung und Lehre verlangt und nur mit Einschränkungen teilzeittauglich ist, wie wir gehört haben. Beim administrativen und technischen Personal (ATP) sieht die Situation an der Universität Zürich völlig anders aus. Da gibt es viele Leute mit reduzierten Pensen von 20 bis 80 Prozent und etablierte Co-Leitungsmodelle.
Kehl: Im Prinzip können Professuren mit Teilzeitpensen ausgeschrieben werden. Diese Möglichkeit wurde bisher aber nur in wenigen Einzelfällen genutzt.
Schwarzenegger: Aufgrund der Erfahrungen bei uns und an anderen Universitäten bin ich gegenüber Sharing-Modellen eher skeptisch. Es ist schwierig, in der Forschung mit halber Kraft vorne mit dabei zu sein. Diese Erfahrung mache ich auch selbst als Mitglied der Unileitung. Für Spitzenforschung bleibt nicht genügend Zeit.
Ganzfried: Das Jobsharing ist aus verschiedenen Gründen nicht ganz einfach. Letztlich sind dabei zwei Personen inhaltlich und organisatorisch stark miteinander verbunden, so dass schnell Konflikte entstehen können, wenn es zwischen den Betroffenen nicht stimmt. Da ist eine Pensenreduktion einfacher, die betrifft nur eine Person. Ich kenne aber auch bestens funktionierende Beispiele von Jobsharing.
Schwarzenegger: Wie oft ist es vorgekommen, dass die Fakultäten von sich aus eine Professur mit zwei 50-Prozent- Stellen gewünscht haben?
Kehl: Solche Anfragen habe ich zweimal erlebt. Eine wurde umgesetzt, und zwar mit zwei 60-Prozent-Stellen, im anderen Fall wurden schliesslich zwei 100-Prozent-Stellen geschaffen. Aber ich möchte betonen: Wir sind offen für diese Möglichkeit, wenn eine Fakultät dies wünscht. Die formalen Voraussetzungen sind gegeben.
Walter: Die Modelle helfen, Frauen für Toppositionen zu motivieren. Auch Männer sehen, dass Karriere und Familie vereinbart werden können. Es ist wichtig, dass angehende Forscherinnen und Forscher um die Möglichkeit von Teilzeitpensen wissen. Ich persönlich erwähne im Institut auch immer mal wieder die Familiensituation und spreche darüber mit meinen Postdocs. Natürlich gibt es im Wissenschaftsbetrieb gewisse Zwänge, die man nicht wegdiskutieren kann. Wichtig ist, die Probleme zu benennen und ein Umfeld für Lösungen anzustreben. In der PhF besteht dafür sehr viel Wohlwollen.
Ganzfried: Ich würde auch sagen, dass weibliche Vorbilder als «Role Models» essenziell sind. Damit junge Forscherinnen sehen, dass akademische Karriere und Familie vereinbar sind.
Schwarzenegger: Ich bin zuversichtlich, dass sich der Frauenanteil in der Professorenschaft an der UZH in den kommenden Jahren deutlich erhöhen wird. Die Voraussetzungen in den verschiedenen Fakultäten sind unterschiedlich und das Tempo der Veränderungen ist nicht überall gleich hoch. Aber wir befinden uns in einem Prozess, der an Tempo gewinnt. Wir legen bei den Berufungen auch Wert darauf, diskriminierende Biases gegenüber Bewerberinnen zu eliminieren.
Kehl: Am besten setzt sich diese Person mit uns in Verbindung, dann können wir das Vorgehen besprechen. Zuständig ist die Universitätsleitung als Anstellungsbehörde, der Dienstweg geht über die Fakultäts- und Institutsleitung. Dort müssen die Ersatzmassnahmen infolge einer Pensumsreduktion etwa bei der Lehre organisiert werden. Nebst dem Vorgespräch mit uns gibt es auch ein Gespräch mit der Instituts- und der Fakultätsleitung. Am Schluss braucht es einen Antrag mit einem unterstützenden Brief des Dekanats an die Rektorin ad interim. Da es um anstellungsrechtliche Fragen geht, müssen die Entscheide verschriftlicht werden.
Ganzfried: Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass die von uns befragten Professorinnen und Professoren das formal reibungslose administrative Verfahren für eine Pensumsreduktion gelobt haben. Die kompetente Unterstützung durch die Abteilung Professuren wurde sehr geschätzt.