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Engagieren sich weisse US-Amerikaner, die Kontakte zu schwarzen Landsleuten pflegen, stärker für deren Anliegen und Rechte? Und wie verhält es sich umgekehrt? Seit über 50 Jahren sehen Sozialwissenschaftler, aber auch Politikerinnen Kontakte zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppen als wirksames Instrument, um Vorurteile abzubauen und gegenseitiges Vertrauen zu stärken. Neuere Forschungsresultate deuten jedoch darauf hin, dass solche Kontakte Ungleichheiten zwischen den Gruppen auch verdecken und dazu führen können, dass Benachteiligungen fortbestehen anstatt bekämpft zu werden.
Wie der Kontakt zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppen mit dem Engagement für mehr soziale Gerechtigkeit zusammenhängt, haben Tabea Hässler und Johannes Ullrich vom Psychologischen Institut der Universität Zürich nun statistisch untersucht. Mit einem multinationalen Team von über 40 weiteren Forschenden haben sie knapp 13'000 Personen aus 69 Ländern befragt: einerseits Personen aus gesellschaftlich privilegierten Gruppen – ethnische oder religiöse Mehrheiten respektive heterosexuelle Personen –, andererseits Personen aus Minderheitsgruppen, die aufgrund ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit, ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechteridentität gesellschaftlich benachteiligt werden.
Die Daten zeigen, dass sich Angehörige privilegierter Gruppen eher für die soziale Gleichstellung benachteiligter Gruppen einsetzen, wenn Kontakte zu diesen bestehen. Heterosexuelle Personen etwa, die in der Nachbarschaft, bei der Arbeit, oder im Freundeskreis angenehme Begegnungen mit homosexuellen Personen haben, sind eher bereit, an Demonstrationen teilzunehmen, Petitionen zu unterschreiben, über Benachteiligungen zu sprechen oder für ein Diskriminierungsverbot zu stimmen.
Die umgekehrte Tendenz stellte das Forschungsteam für Mitglieder von benachteiligten Gruppen fest: Haben Sie Freunde oder Bekannte in privilegierten Gruppen, engagieren sie sich weniger stark für die Verbesserung der eigenen Situation. «Immigranten beispielsweise, die viele Berührungspunkte mit Menschen ihres Gastlandes haben, sind sich ihrer Benachteiligungen möglicherweise weniger bewusst», führt Erstautorin Tabea Hässler aus. «Sie setzen sich so auch weniger stark dafür ein, dass diese Ungleichheiten behoben werden.»
Innerhalb dieses asymmetrischen Schemas entdeckten die Forschenden eine Ausnahme: Sowohl bei den privilegierten wie auch bei den benachteiligten Personen sind Kontakte über die Gruppengrenzen hinweg mit einer grösseren Bereitschaft verknüpft, sich solidarisch für mehr soziale Gerechtigkeit einzusetzen – beispielsweise gemeinsam an einer Kundgebung teilzunehmen. «Dieser Wille, solidarisch zusammenzuarbeiten, vereint Personen aller Gruppen und beschreibt damit einen Weg zu sozialem Wandel und mehr Gleichberechtigung», resümiert UZH-Professor Johannes Ullrich. Die Forschenden betonen zudem, dass im Austausch zwischen begünstigten und benachteiligten Gruppen nicht bloss Gemeinsamkeiten, sondern auch Benachteiligungen offen angesprochen und diskutiert werden sollten. So könne möglicherweise verhindert werden, dass gruppenübergreifende Kontakte zu einem geringeren Engagement bei benachteiligten Personen führen. «Denn», so Ullrich, «der Kontakt zwischen den Gruppen sollte nicht auf Kosten der sozialen Gerechtigkeit gehen.»
Tabea Hässler, Johannes Ullrich, et al. A large-scale test of the link between intergroup contact and support for social change. Nature Human Behaviour. 27 January 2020, DOI: 10.1038/s41562-019-0815-z