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Im Labor von Cornel Fraefel herrscht Hochstimmung. Vor kurzem hat das Team erfahren, dass der Nationalfonds sein Impfstoff-Projekt gegen das neue Coronavirus mit einer halben Million Franken finanziert. Der Virologe von der Vetsuisse-Fakultät hat die Gutachter von seinem neuartigen Ansatz mit Bakteriensporen überzeugt und die Zusage erhalten. «Wir haben eine Riesenfreude», sagt der sonst eher zurückhaltende Wissenschaftler Fraefel enthusiastisch.
Wie einzigartig der Ansatz ist, zeigt ein Blick auf die lange Liste der Impfstoffprojekte der Weltgesundheitsorganisation WHO: Sie umfasst mehr als 160 Vorhaben, 28 davon befinden sich bereits im Stadium erster klinischer Studien. Aber kein einziges dieser Projekte nutzt den Weg, den Fraefel mit seinen Mitarbeitern Claudio Aguilar und Catherine Eichwald verfolgt.
Was die Forscher anstreben, ist eine Impfung durch Sporen des Bakteriums Bacillus subtilis – ein Vakzin, das man einfach schlucken könnte und sich nicht ins Blut spritzen muss. Die mikroskopisch kleinen Sporen sind hitzestabil, resistent gegen Umwelteinflüsse und damit gut halt- und transportierbar. Sie brauchen keine aufwendige Kühlung, wie dies bei vielen Impfstoffen nötig ist, was ihre Anwendung zum Beispiel in ländlichen Gebieten von Entwicklungsländern erleichtert. Einmal geschluckt, passieren die Sporen von B. subtilis den Magen und entfalten im Dünndarm ihren Impfschutz. Kurz: Sporen sind die ideale Darreichungsform einer Impfung, wenn sie denn funktioniert.
Davon ist Cornel Fraefel überzeugt. Basis des Impfschutzes ist eine gentechnische Veränderung des bakteriellen Erbgutes, in das die genetische Bauanleitung von Hüllproteinen des neuen Coronavirus Sars-CoV-2 eingebaut wird. Die derart manipulierten Bakterien werden danach im Labor zur Bildung von Sporen angeregt, in dem sie in einem Schüttler während ein paar Tagen gezüchtet werden.
Die kugelförmigen Sporen sind äusserst resistent und stellen eine Art Schlafstadium zur Überdauerung widerlicher Umwelteinflüsse dar. Werden diese Sporen danach eingenommen, passieren sie den Magen und bilden im Dünndarm wieder teilungsfähige Zellen. Es entsteht ein bakterieller Film, der die Eiweiss-Antigene des Coronavirus enthält. Das menschliche Immunsystem reagiert wie bei einer konventionellen Impfung mit der Bildung von Antikörpern und Gedächtnis- rsp. Helferzellen – so zumindest die Erwartung.
«Das Verfahren funktioniert im Prinzip und war bei ersten Impfstoffen im Veterinärbereich erfolgreich», sagt Cornel Fraefel. So hat seine Gruppe bereits ein Vakzin gegen den Hundebandwurm entwickelt. In Tierversuchen konnte eine gute Immunantwort und einschliesslich der Bildung verschiedener Typen von Immunglobulinen und einer T-Zell-Antwort nachgewiesen werden, was die Hoffnung auf einen wirksamen Impfstoff beim Menschen erhöht.
Ein spezielles Kapitel betrifft die biologische Sicherheit: Da genetisch veränderte Bakterien rsp. ihre Sporen verwendet werden, muss sichergestellt sein, dass sie sich nicht vermehren können, sollten sie unbeabsichtigt in die Umwelt gelangen. Fraefels Team hat das Erbgut deshalb so verändert, dass die Keime in der Natur nicht vermehrungsfähig sind. «Wir haben ein biologisches Containment entwickelt», erläutert Fraefel.
Dank der Zusage des Nationalfonds macht sich Fraefels Gruppe nun unter Hochdruck an die Entwicklung des zukunftsträchtigen Impfstoffs. Zwei, drei Monate dürften die genetischen Konstruktionen von B. subtilis in Anspruch nehmen. Danach folgen Studien zur Immunantwort und Sicherheit in Tieren, an denen der Coronavirus-Experte Volker Thiel von der Universität Bern beteiligt ist.
Läuft alles nach Plan, so dürfte der Impfstoff-Kandidat versuchsweise an Menschen getestet werden. Dann wird sich weisen, ob das neuartige Verfahren die Hoffnungen erfüllen wird. Ist ein tauglicher Impfstoff absehbar, werden Industriepartner einsteigen müssen.