Navigation auf uzh.ch
Vor etwa 500 Millionen Jahren – als die Kontinente in einer einzigen Landmasse verbunden waren und das meiste Leben unter Wasser existierte – waren Hornmoose (Anthoceros) eine der ersten Pflanzengruppen, die das Land besiedelten. Ein internationales Team, das von Forschenden der Universität Zürich (UZH) und des Boyce Thompson Institute geleitet wird, hat nun erstmals das Genom von drei Hornmoosarten sequenziert. Sie gewähren damit Einblicke in die einzigartige Biologie dieser noch immer existierenden Gruppe uralter Landpflanzen.
Begonnen hat das Forschungsprojekt bereits im Jahr 2011. «Wir haben drei Jahre gebraucht, um herauszufinden, wie Hornmoose unter Laborbedingungen ideal wachsen und ihren Lebenszyklus vollenden können. Und weitere drei Jahre, um das Genom korrekt zusammenzufügen und zu analysieren», sagt Péter Szövényi, Pflanzenwissenschaftler an der UZH und Letztautor der Publikation.
Eines der Ziele war es, jene Gene zu finden, mit denen Hornmoose Kohlendioxid in den Chloroplasten konzentrieren. Die Pflanzen können so mehr Zucker herstellen und effizienter wachsen. Unter den Landpflanzen ist diese Eigenschaft einzigartig, bloss einige Algenarten verfügen auch über diese Fähigkeit. Beim Vergleich der Genome von Hornmoosen mit jenen von Algen entdeckten die Wissenschaftler ein Gen – LCIB – das in beiden Pflanzengruppen, nicht aber in anderen Landpflanzen vorkommt. «Wenn es gelingt, diesen Mechanismus der Kohlenstoffkonzentration in Kulturpflanzen zu übertragen, würden sie mit derselben Menge an Dünger besser wachsen und höhere Erträge erzielen», erklärt Erstautor Wei Li, Pflanzenbiologe am Boyce Thompson Institute und der Cornell University in den USA.
Hornmoose verfügen über eine weitere, für Landpflanzen einzigartige Besonderheit: Sie leben in Symbiose mit Pilzen und Cyanobakterien, die die Pflanze mit Phosphor und Stickstoff versorgen. Die Forschenden identifizierten 40 Gene, die am Prozess, wie die Pflanzen Stickstoff von den Bakterien aufnehmen, beteiligt sind. «Wenn diese Fähigkeit von Hornmoosen in Nutzpflanzen eingebaut werden könnte, liessen sich grosse Mengen an Stickstoffdünger einsparen», sagt Szövényi. Eine solche Düngerreduktion würde auch der Umwelt nützen, da überschüssiger Stickstoff aus der Landwirtschaft häufig in Flüsse und Seen gelangt, wo er giftige Algenblüten verursachen kann. Szövényi und Li arbeiten bereits an einem Projekt, den genetischen Mechanismus von Hornmoosen zu verstehen, der der symbiotischen Interaktion mit Cyanobakterien zugrunde liegt.
Die Forschungsarbeit wirft auch Licht auf die Evolution der frühen Landpflanzen. Ohne Spaltöffnungen können die meisten Pflanzen kein Kohlendioxid aufnehmen und an Land gedeihen. Spaltöffnungen sind daher eine Schlüsselinnovation, die es Pflanzen ermöglichte, Land zu besiedeln. Unklar war bislang, ob sich Spaltöffnungen bei Landpflanzen einmal oder möglicherweise mehrfach unabhängig voneinander entwickelt haben. Auch Hornmoose besitzen Spaltöffnungen während ihrer sporenbildenden Phase. «Wir konnten zeigen, dass die grundlegenden genetischen Elemente zur Entwicklung von Spaltöffnungen in Blütepflanzen mit jenen von Hornmoosen übereinstimmen», erklärt Szövényi. Die Wissenschaftler bestätigen damit die Hypothese, dass sich Spaltöffnungen bei den frühesten gemeinsamen Vorfahren der Landpflanzen nur einmal entwickelt haben.
Hornmoose, Lebermoose und Laubmoose gehören zu den ersten Pflanzen, die das Land kolonisierten. Bisher war jedoch unklar, wie diese drei Gruppen untereinander verwandt sind. «Unsere Daten zeigen klar, dass Horn-, Leber- und Laubmoose enger miteinander verwandt sind als mit höher entwickelten Gefässpflanzen. Zudem sind Leber- und Laubmoose enger miteinander verwandt als mit Hornmoosen», sagt Fay-Wei Li.
Fay-Wei Li et. al. Anthoceros genomes illuminate the origin of land plants and the unique biology of hornworts. Nature Plants. March 13, 2020. DOI: 10.1038/s41477-020-0618-2