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Ökologen gehen davon aus, dass der globale Klimawandel einen besonders starken Effekt auf Tiere und Pflanzen hat, die im Gebirge leben – sie erwarten Veränderungen in der Verteilung, Häufigkeit und Interaktion der Arten. So gibt es Hinweise darauf, dass sich der Lebensraum einiger Schweizer Vogelarten − wie etwa dem Baumpieper oder dem Trauerschnäpper − in den letzten Jahren in grössere Höhen verschoben hat. Wie sich diese Veränderungen auf die Zusammensetzung der Vogelgemeinschaften auswirken, war bis jetzt nicht bekannt.
Forschende des Departements für Evolutionsbiologie und Umweltforschung der Universität Zürich und der Schweizerischen Vogelwarte sind dieser Frage nun nachgegangen. Die Grundlage dafür bildeten Daten, die über die letzten zwanzig Jahre von freiwilligen Ornithologinnen und Ornithologen gesammelt wurden. Die Studie deckte einen negativen Trend auf: Die Vogelgemeinschaften der Schweizer Alpen durchlaufen entlang des Höhengradienten einen Prozess der biotischen Homogenisierung – das heisst, sie gleichen sich einander immer mehr an und verlieren an Diversität.
Der einfachste Massstab für Diversität einer Vogelgemeinschaft ist die Zahl der darin vertretenen Arten. Darüber hinaus liefert jedoch auch die funktionelle Vielfalt einer Gemeinschaft wertvolle Informationen. «Verschiedene Arten nutzen die Ressourcen auf unterschiedliche Weise und interagieren anders mit der Umwelt», sagt der Postdoktorand und Erstautor der Studie, Vicente García-Navas. «Nicht alle Arten spielen dabei eine gleich wichtige Rolle im Ökosystem. Der Verlust einer einzigen bestimmten Art kann schädlicher sein als der von mehreren anderen Arten.» Besonders wichtig seien Spezialisten wie beispielsweise einige Spechtarten. Denn ihre Baumhöhlen werden von anderen Vögeln und kleinen Säugetieren als Nistplatz und Versteck benötigt.
Um diese funktionelle Vielfalt der Vogelgemeinschaften zu messen, trugen García-Navas und sein Team für jede Vogelart hundert verschiedene Merkmale zu Körperbau, Ernährung, Lebensraum und vielem mehr zusammen. So konnten sie die Vielfalt an Funktionen in den verschiedenen Vogelgemeinschaften entlang des Höhengradienten bestimmen und ermitteln, wie sich das Bild im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte gewandelt hat.
Die Analysen ergaben, dass die obere Waldgrenze eine funktionelle Barriere zwischen zwei Gruppen darstellt: Vom landwirtschaftlich geprägten Tiefland bis zu den Gebirgswäldern leben ähnliche Vogelgemeinschaften mit Arten wie Goldammer, Dorngrasmücke und Mönchsgrasmücke. Darüber, im baumlosen Hochgebirge, bestehen die Gemeinschaften aus Arten, die an das Leben im offenen Gelände angepasst sind. So essen sie beispielsweise weniger Raupen oder bauen wie das Alpenschneehuhn ihr Nest am Boden.
Die Auswertung zeigte jedoch, dass diese besondere funktionelle Vielfalt der alpinen Gemeinschaften in den letzten Jahren abgenommen hat. «Unsere Studie zeigt, dass Bergspezialisten zunehmend Gefahr laufen, verdrängt zu werden», sagt der Ökologie-Professor Arpat Ozgul, Mitautor der Studie. Kritische Faktoren dafür seien die Verkleinerung von Lebensräumen, die Schwierigkeit, optimale Lebensräume in höheren Lagen zu finden, und die Invasion von Generalisten nach oben.
Diese Zunahme von Generalisten wie Rotkehlchen und Trauerschnäpper ist möglicherweise auch der Grund für den Abwärtstrend in der sogenannten Betadiversität: Wie die Studie ebenfalls ergab, gleicht sich die Artenzusammensetzung der verschiedenen alpinen Gemeinschaften immer weiter aneinander an und es gibt immer weniger Variationen.
«Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass der doppelte Effekt der globalen Erwärmung und die Aufgabe der traditionellen Bewirtschaftung zu einer Verarmung der Vogelgemeinschaften in den Alpen führt», sagt García-Navas. Letzteres trage zur Verbuschung und zur Verschiebung der Baumgrenze nach oben bei. Deshalb seien dringend Schutzmassnahmen und eine Anpassung der Bewirtschaftung nötig.
Vicente García-Navas, Thomas Sattler, Hans Schmid and Arpat Ozgul. Temporal homogenization of functional and beta diversity in bird communities of the Swiss Alps. Diversity and Distributions. 30 May 2020. DOI: https://doi.org/10.1111/ddi.13076