Navigation auf uzh.ch
Vor etwa zehn Jahren begann in den subtropischen Wäldern im Südosten von China das BEF-China Projekt, eines der weltweit grössten Freilandexperimente: Ein internationales Forscherteam bepflanzte über 500 Parzellen von 670 Quadratmetern Fläche mit jeweils 400 Bäumen – dabei erhielt jede Parzelle zwischen einer und 16 Baumarten in unterschiedlichen Kombinationen.
Eine soeben erschienene Studie hat nun analysiert, wie sich die Anzahl und Zusammensetzung der Arten auf die Produktivität der einzelnen Parzellen auswirkt. «Die Ergebnisse haben erhebliche Bedeutung für den Erhalt der Biodiversität und den Klimaschutz, da produktivere Wälder auch mehr Kohlendioxid aus der Luft entfernen», sagt Bernhard Schmid, Professor am Geographischen Institut der Universität Zürich (UZH) und Letztautor der Studie.
Das Team von chinesischen, deutschen und Schweizer Forschenden ermittelte hierfür den Durchmesser und die Höhe der Bäume und berechnete daraus die Produktivität von 469 Parzellen. Einige der Parzellen verfügten über das Maximum an 16 Baumarten, bei anderen fehlten nach dem Zufallsprinzip einige Arten. Auf manchen Parzellen war der Artenverlust nicht zufällig, sondern gerichtet: Es fehlten also ganz bestimmte Arten mit ähnlichen Eigenschaften – etwa alle Mitglieder einer kleinen Pflanzenfamilie.
Bei den Parzellen mit einem solchen gerichteten Verlust nahm die Waldproduktivität deutlich stärker ab, als bei Parzellen mit zufällig fehlenden Arten – obwohl die betroffenen Parzellen insgesamt noch über eine hohe Vielfalt verfügten. Besonders ausgeprägt war der Effekt, wenn das Aussterben von Arten simuliert wurde, die im Stammbaum der Evolution einen eigenen Zweig bilden.
«Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass der gerichtete Verlust von Arten die Funktionsfähigkeit des Ökosystems stark beeinträchtigen kann, auch bei einem hohen verbleibenden Artenreichtum», sagt Schmid. «Das stellt jahrzehntelange Annahmen in Frage, die aus Studien abgeleitet wurden, die auf dem zufälligen Verlust von Arten beruhten.» Diese Annahmen besagen, dass das Aussterben von Arten in Gemeinschaften mit hoher Biodiversität nur eine geringe Auswirkung auf das Ökosystem hat – weil verbleibende Arten mit ähnlichen Eigenschaften die Funktion der verschwundenen Arten übernehmen können. Die Studie unterstreicht jedoch, dass der Schutz der Biodiversität auch in artenreichen Ökosystemen wichtig ist.
Doch warum kann der gerichtete Verlust von Arten zu einer so starken Einbusse an Produktivität führen? Wichtig ist in einem Wald nicht nur die Anzahl Baumarten, sondern auch die Zusammensetzung und die funktionellen Eigenschaften, die dadurch abgedeckt sind. «Beim gerichteten Artverlust verlieren wir möglicherweise zuerst die Arten mit ganz bestimmten Funktionen, wenn gerade diese funktionellen Besonderheiten auch die Ursache für das Aussterben sind», sagt Erstautor Yuxin Chen, ehemaliger UZH-Postdoktorand und jetzt ausserordentlicher Professor an der Universität Xiamen in China. «Arten leben nicht voneinander unabhängig, sondern sind Teil eines komplexen Netzwerks von Interaktionen. Der Verlust von Arten kann diese Interaktionen verändern, was wesentlich zu den beobachteten Effekten beiträgt.»
«Diese Ergebnisse kommen gerade rechtzeitig, um die Gesetzgebung zur Biosicherheit in China zu unterstützen», sagt Keping Ma, Professor an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und Mitbegründer des Projekts. Das neue Gesetz, das durch die schwere Coronavirus-Epidemie beschleunigt wird, würde unter anderem auch den Erhalt der Biodiversität beinhalten. «Denn der Verlust von Arten in artenreichen Wäldern könnte auch das Risiko von Schädlingsbefall und Krankheitsausbrüchen erhöhen.»
Yuxin Chen, Yuanyuan Huang, Pascal A. Niklaus, Nadia Castro-Izaguirre, Adam Thomas Clark, Helge Bruelheide, Keping Ma, Bernhard Schmid. Directed Species Loss Reduces Community Productivity in a Subtropical Forest-Biodiversity Experiment. Nature Ecology & Evolution. 2 March 2020, DOI: 10.1038/s41559-020-1127-4