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Michael Schaepman: Ein wichtiger Grund dafür, den IT-Chef der UZH als ständigen Gast in die Universitätsleitung aufzunehmen, waren Cyberrisiken: Wir wickeln immer mehr Experimente und andere Arbeitsprozesse in Forschung, Lehre und Verwaltung auf Computern ab. Durch die Verwendung neuer Maschinen und Anwendungen sind auch neue Risiken entstanden, die wir im Auge behalten müssen.
Michael Schaepman: Universitäten sind Brutstätten von guten Ideen und sie gelten als freundlich. Man erwartet nicht, dass von ihnen aus Attacken auf Dritte gestartet werden, genau deshalb bieten sie sich als Host an, um digitale Angriffe zu starten. Das ist ein Risiko für unsere (Daten-)Sicherheit, aber auch für unsere Reputation.
Thomas Sutter: Es gibt an der UZH wie an anderen Universitäten regelmässig Fälle. Bisher blieben wir vor grösseren erfolgreichen Attacken verschont. Es gibt zum Beispiel viele Phishing-Attacken – gefälschte Mails, mit denen versucht wird, an persönliche Daten der Empfänger zu kommen. Die Universitäten sind sehr offene Organisationen – auch durch das Verhalten von Mitarbeitenden und Studierenden. Gleichzeitig verfügen sie über wertvolle Daten, die sie für potenzielle Angreifer attraktiv machen.
Thomas Sutter: Bis jetzt konnten wir uns mit technischen Massnahmen wie Firewalls wirksam schützen. Wichtig ist aber auch die UZH-Angehörigen noch besser für die Problematik zu sensibilisieren. Denn die häufigsten gelungenen Attacken beruhen auf Unaufmerksamkeit und routinemässigem Verhalten: Man erhält eine Mail, klickt auf den Anhang. Das Mail kommt von einem vermeintlich bekannten Absender, richtet sich an einen persönlich und sieht täuschend echt aus.
Thomas Sutter: Im Wesentlichen gilt es, Absender, Betreff, Inhalt, die enthaltenen Links und Anhänge kritisch auf Aussergewöhnliches zu prüfen. Wir haben dazu ein Merkblatt entwickelt. Viele Risiken können bereits mit einem 5-Sekunden-Sicherheits-Check erheblich reduziert werden.
Michael Schaepman: Ein wichtiges Thema ist hier auch das Dateneigentum. Wir arbeiten in einem Umfeld, in dem es um Wettbewerb, aber auch um Vertrauen geht. Deshalb müssen wir uns immer wieder die Frage stellen, ob wir Daten, die wir zugeschickt bekommen haben, weiterleiten dürfen, oder ob sie gar nicht dazu gedacht sind und es allenfalls ethische oder andere Einschränkungen gibt. Die Computerisierung unseres Arbeitsumfelds darf nicht dazu führen, dass wir nachlässig mit der Datensicherheit umgehen. Dafür müssen wir ein stärkeres Bewusstsein schaffen.
Thomas Sutter: Wir werden zum Thema Datensicherheit Kampagnen lancieren. Ausserdem wird sich zukünftig ein Chief Information Security Officer mit der Informationssicherheit an der UZH auseinandersetzen. Die Universitätsleitung hat kürzlich entschieden, diese Funktion an der Universität Zürich zu schaffen.
Michael Schaepman: Ja, die gibt es. In der Administration wollen wir bestehende Prozesse stark digitalisieren, sodass Mitarbeitende zeitlich entlastet werden. Mittelfristig werden viele repetitive Arbeiten wie beispielsweise die Kontrolle von Spesen- und Zeitabrechnungen oder der Prozess nach dem Einwerben von Drittmitteln bis zur Einrichtung der Kostenstelle automatisiert.
In der Forschung wiederum möchten wir die Interdisziplinarität fördern, etwa indem Fächer wie Physik und Biologie gegenseitig auf ihre jeweiligen Daten zugreifen können. Sichere Datenbanken zu schaffen, auf die alle gleichberechtigt Zugriff haben, ist eine grosse Herausforderung. Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation werden an der UZH auch im Rahmen der Digital Society Initiative (DSI) der UZH und der Zürcher Digitalisierungsinitiative (DIZH) zusammen mit anderen Zürcher Hochschulen interdisziplinär erforscht. Was man aber sehen muss: Die grössten Investitionen tätigt die UZH immer noch in Forschung und Lehre und nicht in der Digitalisierung.
Thomas Sutter: Spannend ist, dass Entwicklungen am Arbeitsplatz von zwei Seiten kommen. Einerseits haben Mitarbeitende und Studierende, die Digital Natives, klare Erwartungen an die Infrastruktur. Zugleich werden neu implementierte Tools immer wieder für ganz andere Zwecke genutzt als sie ursprünglich gedacht waren. Da ist ein grosses kreatives Potenzial vorhanden, das auch zu Effizienzgewinnen führen kann. Zum Beispiel bei Microsoft Teams: Wir haben das Tool zuerst für Videokonferenzen zur Verfügung gestellt. Inzwischen gibt es neue Nutzungsformen – so wird etwa die Datenablage teamübergreifend genutzt. Das hat eine sehr hohe Eigendynamik entwickelt.
Thomas Sutter: Bemerkenswert ist, wie schnell sich Studierende und Mitarbeitende an diese Situation gewöhnt haben und neue Tools mit einer grossen Selbstverständlichkeit nutzen. Das allein ist toll. Der grosse Schritt fand hingegen in unserer Kultur statt.
Thomas Sutter: Wir konnten Gewohnheiten und Selbstverständlichkeiten brechen. In einem gewissen Sinne konnten auch Widerstände gegen die digitale Zusammenarbeit abgebaut werden. Dinge, die vorher auch intern unbedingt physisch stattfinden mussten, erledigen wir neu online.
Michael Schaepman: Im Moment ist vorgesehen, das Arbeiten zuhause und im Büro zu flexibilisieren. Der Vorteil ist, dass die Leute sich ihre Zeit selber besser einteilen können. Allerdings hat das Home-Office auch Nachteile in Bezug auf das Community Building. Wie verstehe ich, wie eine Abteilung funktioniert, wenn ich immer zuhause arbeite? Im Moment wissen wir noch nicht genau, wie wir die Hybridisierung des Arbeitsumfeldes lösen.
Thomas Sutter: Das Interesse an der Arbeit im Home-Office ist bei vielen UZH-Angehörigen gross. Ich habe zwei Umfragen mit rund 100 Mitarbeitenden gemacht. Etwa die Hälfte möchte wesentlich mehr zuhause arbeiten als früher.
Michael Schaepman: Gegenfrage: Wie gut würde dieses Interview online funktionieren? Wir nehmen Gewinne aus der coronabedingten Zwangsdigitalisierung mit: Heute können Mitarbeitende und Studierende viel besser einschätzen, was sie digital erledigen können und was nicht, und sie können dies besser begründen. Die Corona-Pandemie ist in diesem Sinne ein Digitalisierungsexperiment. Wir wurden zu einer Verhaltensänderung gezwungen, die sonst mittels eines geplanten Kulturwandels viel länger gedauert hätte.
Michael Schaepman: In der Lehre ist die grosse Frage, inwiefern Präsenzunterricht zum Wissen beiträgt. Oder umgekehrt: Wenn wir Präsenzunterricht auf hybride Modelle oder auf Online-Unterricht umstellen, welche Vor- und Nachteile handeln wir uns dabei ein? Wieviel Mehrwert generieren wir für die Studierenden, wenn sie zuhause lernen und nicht vor Ort an der UZH unterrichtet werden? Dies können wir erst nach einer Evaluation beurteilen. Persönlich bin ich der Meinung, dass Präsenzlehre nicht ersetzbar ist, denn es gehen sehr wichtige Elemente der sozialen Interaktion und Spontaneität verloren.
Michael Schaepman: Ich wünsche mir, dass in zehn Jahren die UZH-Studierenden alle persönlichen Daten und Dokumente – von der Vorlesung bis hin zum Abschlusszertifikat – auf einer Blockchain speichern können. Wir brauchen eine zertifizierte Technologie, die es erlaubt, zu zeigen, was man tatsächlich alles getan und erreicht hat und diese Informationen für die Zukunft speichert und zugänglich macht. Ausserdem erhoffe ich mir, dass wir an der UZH nach wie vor Bücher lesen, Feldforschung betreiben sowie Expeditionen und Laborexperimente durchführen werden.
Thomas Sutter: Ich wünsche mir, dass die Studierenden, Dozierenden und Mitarbeitenden neben dem fachlichen Wissen, das sie erwerben, die UZH dann als den Ort erleben, wo sie modernste digitale Skills und Tools kennen und schätzen lernen.