Navigation auf uzh.ch
Christian Simm: Während den letzten 23 Jahre habe ich aus der Ferne, aber doch ganz eng mit und für den Schweizer Bildungs-, Forschungs- und Innovationstandort gearbeitet. Wir haben Leute und Organisationen vernetzt, viel Neues initiiert, Projekte gefördert, Zukunftsaussichten erforscht, Transversalität und Kreativität als Leitfäden gelebt, unzählige Personen über kurz oder lang als «residents» aufgenommen, tausende von meistens öffentlichen Veranstaltungen organisiert, und vieles mehr. Dabei war auch die UZH ein wichtiger Partner. Nun stehe ich vor der spannenden Herausforderung, für die grösste und vielfältigste Universität der Schweiz zu arbeiten. Mit dem neu direkt dem Rektor zugeordneten IRO-Team und unter Einbezug der Kompetenzen aller UZH-Angehörigen wollen wir das internationale Potential der Universität noch besser ausschöpfen.
Unter Forschenden hat die UZH international einen Namen. Gleichzeitig kennt man in der Ferne oftmals vor allem die Klischeebilder der Schweiz. Weniger bekannt ist, wie innovativ, kompetitiv, weltoffen und vernetzt das Land ist. Die besten Leute und Projekte anzuziehen wird so zu einer Herausforderung – nicht nur für die UZH, sondern auch für andere Institutionen und Organisationen in der Schweiz. Als Romand aus Lausanne kann ich sagen, dass ähnliche Herausforderungen auch in der Beziehung zwischen den einzelnen Sprachregionen der Schweiz bestehen.
Die UZH ist eine sehr grosse, vielfältige und dezentrale Organisation, weshalb ich einige Zeit investieren werde, um mir durch zahlreiche Treffen und viel Zuhören ein besseres Bild der Ist-Situation sowie der wünschenswerten zukünftigen internationalen Ausstrahlung der Hochschule zu machen. Internationalität hat viele Gesichter. Fast jede beziehungsweise jeder kann etwas dazu beitragen. Eine spannende Sache wird es sein, eine «Neue Internationalisierung» zu definieren, die sich den grossen gesellschaftlichen Herausforderungen wie zum Beispiel Pandemien, Klimawandel, weltweite Kräfteverschiebungen und der politischen Polarisation stellt. Auf der Basis vieler Gespräche wird dann im Laufe von 2021 die neue Internationalisierungsstrategie der UZH entstehen.
Schon als Kind wollte ich die Welt entdecken und verstehen. Als der erste Mensch seinen Fuss auf den Mond setzte, träumte ich davon, Astronaut werden. Meine Liebe zu Ästhetik und Design führten mich ein paar Jahre später fast zum Architekturstudium, wobei die Anziehungskraft der Physik dann doch grösser war. Während meiner Promotion hatte ich das Glück, den Mittelbau im ETH-Rat vertreten zu dürfen, und auf diese Weise viel über Hochschul- und Forschungspolitik zu lernen. Gleichzeitig lancierte mein Labor eine starke Kommunikationskampagne, um weiterhin an internationalen Plasmaphysikprogrammen teilnehmen zu können. So fand ich Gefallen daran, nicht nur Wissenschaft zu betreiben, sondern sie auch zu erklären. Als ich nach einem Umweg über Kanada wieder zur EPFL zurückkam und deren Industriekontaktstelle leitete, fühlte ich mich dann ganz als Brückenbauer zwischen verschiedenen Realitäten.
Alle diese vielfältigen Lebensabschnitte und -erfahrungen haben meine Vorstellungen vom Aufgabenprofil und der Arbeitsweise von swissnex geprägt. Vernetzung ist schwieriger, als es klingt. Oft geht es ja darum, das Unerwartete zu fördern, kreativ und ja, sogar ästhetisch vorzugehen. Dies natürlich immer mit dem Ziel, Wirkung zu entfalten. Wir bezeichneten es als «connecting the dots» und «engineered serendipity».
Superstars sind immer umworben, in der Forschung genauso wie in der Kunst oder im Sport. Manchmal stellen sie Forderungen, die schlicht unerfüllbar sind. Ich bin mir aber sicher, dass man noch mehr gute Leute nach Zürich holen könnte, indem man die Qualitäten der Schweiz international noch bekannter macht. In den letzten Wochen sagte mir ein UZH-Forscher: «Eigentlich sollte man Top-Leute immer an einem schönen Sommertag nach Zürich holen, und mit ihnen eine Schiffsrundfahrt auf dem See unternehmen, wenn die Berge klar in der Ferne zu sehen sind und die Terrassen voll sind.» Wie hoch die hiesige Lebensqualität ist, lässt sich mit Worten allein fast nicht erklären.
Junge Forscher sind daran interessiert, mit den besten Mentoren zu arbeiten und karrierefördernde Resultate zu erzielen. Ausserdem sind vernünftige Arbeits- und Lebensbedingungen für sie wichtig – dies um so mehr, als sie häufig in einem Alter sind, in dem man eine Familie gründet. Wichtige Kriterien sind daneben auch die gelebte Internationalität an der Universität und in der Stadt: Wie wird man als Ausländer oder Ausländerin aufgenommen? Gibt es genügend Angebote auf Englisch? Bei alldem zählt, dass Universitäten ihre Qualitäten nicht nur pflegen, sondern sie auch international sichtbar machen.
Solche Partnerschaften bündeln Energien und bilden privilegierte Kommunikations- und Kooperationskanäle auf verschiedenen Stufen. Die UZH pflegt strategische Partnerschaften mit den Universitäten in Berlin, Genf und Prag und hat jüngst auch ein Abkommen mit der Universität Kyoto unterschrieben, parallel zur aktiven Involvierung der UZH in verschiedenen Hochschulnetzwerken. Sollten weitere Partnerschaften entstehen, wird die Hochschule sicher auf eine ausgewogene thematische und geographische Verteilung achten.
Für Forschende wie für Studierende ist es ausgesprochen wichtig, international vernetzt zu sein und sich an der weltweiten Konkurrenz zu messen. Dies spielt eine entscheidende Rolle in der Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der Schweiz. Es erlaubt unserem Land auch die aktive Mitwirkung bei der Bewältigung der globalen Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft steht.
Man kann nicht über zwanzig Jahre in einem Land wohnen und einen der interessantesten Jobs haben, den man sich vorstellen kann, ohne beim Abschied etwas Wehmut zu verspüren. So habe ich neben dem lachenden auch ein weinendes Auge. Meine neue Aufgabe an der UZH, das Leben in der Schweiz und in Europa und das Zürcher Geschnetzelte machen aber so viel Freude, dass sicher bald beide Augen wieder lachen!