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Die Schweizer Bevölkerung hat wegen der Coronakrise in den ersten Wochen des «Lockdowns» sechs von zehn medizinischen Behandlungen nicht beansprucht. Dies betrifft etwa Termine bei Haus- oder Zahnärzten, im Spital oder bei Psychologen. Die Absage oder Verschiebung der Behandlung geschah entweder auf eigenen Wunsch oder auf Initiative der Gesundheitspersonen. Zu diesen Resultaten kommt der «COVID-19 Social Monitor» der ZHAW und der Universität Zürich, der mit regelmässigen Befragungen die Auswirkungen der Coronakrise auf die Bevölkerung untersucht. Bisher wurden zwei Befragungen vom 30. März bis 6. April und vom 6. bis 14. April durchgeführt. In den kommenden Wochen sind weitere Befragungen geplant.
«Dass derart viele Menschen derzeit auf medizinische Behandlungen verzichten oder verzichten müssen, hat uns etwas erstaunt», erklärt Marc Höglinger, Dozent am Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie der ZHAW. 90 Prozent der nicht durchgeführten Behandlungen waren geplante Termine und Kontrolluntersuchungen. In geringem Ausmass (1 Prozent) handelte es sich aber auch um Notfälle. «Mittel- und vor allem langfristig kann das Aufschieben oder Auslassen von Behandlungen negative Folgen haben. Es ist darum wichtig zu beobachten, wie sich die Situation entwickelt», sagt Oliver Hämmig, Bereichsleiter Gesundheitsberichterstattung und -monitoring am Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich. Immerhin scheint die Versorgung hinsichtlich Coronavirus nicht beeinträchtigt zu sein. Fünf Prozent der Bevölkerung hatten in den vorangegangen zwei Wochen in diesem Zusammenhang Kontakt mit einem Arzt oder Spital.
Ihre allgemeine Lebensqualität stufen rund 85 Prozent der Menschen auch in der aktuellen Situation als gut oder sehr gut ein. Allerdings geben rund 35 Prozent an, dass sie sich im Vergleich zur Zeit vor der Coronakrise verschlechtert habe. Dieser Wert lag mit rund 40 Prozent Anfang April sogar noch etwas höher. Auf der anderen Seite sagen neun Prozent, ihre Lebensqualität habe sich verbessert.
Rund 50 Prozent der Befragten – und damit mehr als sonst und in der Bevölkerung üblich – zeigen zudem gewisse psychische Belastungs- und Erschöpfungssymptome wie beispielsweise Ein- und Durchschlafstörungen oder Müdigkeitserscheinungen und Anzeichen allgemeiner Schwäche und Energielosigkeit. «Inwieweit dies spezifisch auf die aktuelle Situation zurückzuführen ist, lässt sich noch nicht sagen. Spannend wird sein, ob und wie sich die Werte in den kommenden Wochen verändern», sagt Oliver Hämmig. Auch Einsamkeit kann mit zunehmender Dauer des Lockdowns zu einem gravierenden Problem werden. Rund neun Prozent der Befragten geben an, sich gegenwärtig häufig oder sehr häufig einsam zu fühlen. Das sind einige Prozentpunkte mehr als in der letzten Schweizerischen Gesundheitsbefragung von 2017.
«Mit dem COVID-19 Social Monitor wollen wir auch die grossen Auswirkungen der Coronakrise auf die berufliche Situation vieler Menschen erfassen», erklärt Höglinger. Ungefähr zehn Prozent haben aufgrund der aktuellen Situation Angst vor einem Arbeitsplatzverlust. Rund ein Fünftel gibt an, in Kurzarbeit zu sein. Etwas mehr als ein Prozent der Befragten ist wegen der Krise arbeitslos geworden. «Die Daten zeigen zudem die veränderte Arbeitssituation im Alltag», sagt Höglinger. «40 Prozent der Befragten haben in den letzten sieben Tagen ausschliesslich oder hauptsächlich im Home Office gearbeitet – vor Corona taten dies nur 6 Prozent.»
Der «COVID-19 Social Monitor» wird vom Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie der ZHAW und vom Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich durchgeführt. Rund 2000 Personen aus allen Landesteilen werden regelmässig befragt. Dies erlaubt für die Schweiz repräsentative Aussagen zu der Entwicklung der erfassten Indikatoren über die Zeit. Mit den Befragungen sollen Veränderungen im Wohlbefinden, im Gesundheitszustand und in der Erwerbssituation der Schweizer Bevölkerung im Verlauf der Coronakrise sichtbar gemacht werden. Öffentlichkeit, Wissenschaft und Behörden erhalten so die Möglichkeit, Probleme frühzeitig zu erkennen.
Website zur Studie mit detaillierten Resultaten: https://www.zhaw.ch/wig/covid-social-monitor