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Reformation

Die Welt wurde weltlicher

«Tut um Gottes willen etwas Tapferes». Nicht nur dieses Zitat ist in den Köpfen geblieben. Huldrych Zwingli hat Zürich geprägt hat wie kein Anderer. Der Zürcher Reformation und ihre Rolle in den Reformationsbewegungen ist jetzt eine grosse Tagung gewidmet.
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Ulrich Zwingli kam 1519 als Leutpriester ans Grossmünster und stiess in den folgenden Jahren die Reformation in Zürich an.


Im Januar 2019 jährt sich der Beginn der Zürcher Reformation zum 500. Mal. Im Gedenken an die Reformation richtet das Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte eine grosse Tagung mit internationalen Expertinnen und Experten aus. (siehe Kasten) Die Reformation war ein religiöser Umbruch. Sie leitete aber auch tiefgreifende kulturelle und weltanschauliche Veränderungen ein, die zu unserem neuzeitlichen Selbst- und Weltverständnis beigetragen haben. «Die Reformation prägt uns bis heute sehr stark», erklärt Peter Opitz, Professor für Kirchen- und Dogmengeschichte an der UZH.

Die Reformation hat die Kirche, die im Katholizismus als hierarchische Vermittlungsinstanz zwischen Gott und den Menschen verstanden wurde, neu gedacht und die Beziehung zwischen Mensch und Gott neu definiert. Die Kirche als Vermittlerin des Heils durch geweihte Menschen und Sakramente wurde abgeschafft. Neu war die Kirche die Versammlung aller, die den direkten Kontakt zu Gott suchten.

Die Gläubigen mussten sich in der Folge nicht mehr um das Heil im Jenseits bemühen wie im Katholizismus. Das setzte Ressourcen – zeitliche und finanzielle – für das irdische Leben frei. «Wenn sich Gott nicht mehr an bestimmten, heiligen Orten materialisiert, wenn es weder heilige Orte noch heilige Zeiten noch heilige Dinge gibt, wird die Welt weltlicher», sagt Peter Opitz. Der Mensch bekommt in der Folge mehr Zeit und mehr Legitimität, seine Gesellschaft und seine Umwelt zu gestalten, er erhält aber auch mehr Verantwortung.

Der Mensch gestaltet die Welt

In Zürich wurde während der Reformation die Kirche umgestaltet. Der christliche Zürcher Stadtstaat entmachtete die römische Bischofskirche und organisierte sich während der Reformation neu als kirchliche Gemeinde. Hinter dieser Veränderung stand die Einsicht, dass Kirche und Welt keine ewigen, unveränderbaren Ordnungen sind. Sie entsprechen keinem ewigen göttlichen Gesetz, in das man hineingeboren wird und in dem man stirbt. Vielmehr können die Menschen die religiösen, sozialen und politischen Ordnungen selber gestalten.

Das hatte Folgen nicht nur für die Kirche, sondern auch für andere Institutionen: Könige und Fürsten konnten sich nicht mehr so einfach auf ein Gottesgnadentum berufen; man begann, die beste Regierungsform zu diskutieren, und die Bauern wollten wissen, wie ihre Zinsen und Abgaben verwendet wurden. Aus der Einsicht, dass man die Gesellschaft verbessern kann, erwuchsen Impulse, wie Armenwesen und Bildung optimiert werden könnten – bis hin zu Fragen der Gesundheit und der Naturerforschung.

Zuwendung zur Realität

Im 16. Jahrhundert gewannen die Naturforscher ihr Wissen nicht in erster Linie aus der Beobachtung von Phänomenen; ihr Wissen stammte vielmehr aus dem Schöpfungsbericht der Bibel und den Naturschriften des Aristoteles. Der Naturforscher Conrad Gessner (1516–1565) begann demgegenüber, Tiere und Pflanzen konkret zu beobachten, zu zeichnen und zu katalogisieren. Das war in dieser Zeit eine enorme Zuwendung zur Realität. Gessner war ein theologischer Schüler Zwinglis.

Human und aufgeklärt

Die Reformation integrierte den Humanismus und war auch von ihm inspiriert. «Auch die Aufklärung wäre zwar ohne die Reformation schwer denkbar, schliesslich stammten die meisten – aber nicht alle – ihrer Vordenker aus dem Protestantismus, nicht selten aus verfolgten protestantischen Minderheiten.

Mit der Zürcher Reformation und ihrer Rolle in den europäischen Reformationsbewegungen befasst sich nun eine grosse Tagung, die in Zürich stattfindet und an der etwa 50 Referentinnen und Referenten teilnehmen. (siehe Kasten)