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China kennt verschiedenartige Porzellane, die mit lokalen Tonarten und Erden seit Jahrhunderten in spezialisiertem Handwerk hergestellt werden. Dazu zählt das zart grün-blau schimmernde Seladon, in dem sich die tief grünen Landschaften und der blaue Himmel der Provinz Zhejiang in Südwest-China spiegeln. Diesem jadeähnlichen Porzellan und den Fertigkeiten seiner Meisterinnen und Meister widmet sich die neue Ausstellung des Völkerkundemuseums der Universität Zürich. Als Gastkuratorin wurde die Sinologin und Keramikerin Anette Mertens aus Berlin eingeladen. Anhand exemplarischer Meisterstücke präsentiert sie die Ergebnisse ihrer Seladon-Forschung und lässt Meister aus Longquan sowie deren Schüler zu Wort kommen. In Zusammenarbeit mit ihnen sowie mit der Sinologin Mareile Flitsch, die an der UZH zu handwerklicher Könnerschaft lehrt und forscht, ist so eine Zusammenschau von Traditionen, Technologien und Kenntnissen entstanden.
Seit spätestens dem 9. Jahrhundert ist die chinesische Provinz Zhejiang bekannt für ihr Seladon-Porzellan. Wer dieses herstellte, brauchte Expertise in der Verarbeitung der Rohstoffe und vor allem auch in den komplexen, mit vielen Unwägbarkeiten verbundenen Techniken des Brennens.
Die erste Blütezeit erlebte das Longquan-Seladon vom 11. bis ins 14. Jahrhundert, als es Eingang in die kaiserlichen Sammlungen fand. Mit wachsender Popularität wurde es zum globalen Exportgut. Heute verfügen die grossen Museen in aller Welt über kostbare Seladone der Song-, Yuan- und Ming-Zeit.
Bis Ende des 19. Jahrhunderts geriet das Longquan-Seladon mehr und mehr in Vergessenheit. Doch Gelehrte entdeckten es wieder: Mit ihren Forschungsberichten und auf Initiative des chinesischen Ministerpräsidenten Zhou Enlai konnte die Produktion von Seladon in den 1950er-Jahren in staatlichen Manufakturen neu lanciert werden.
Eine erste Generation von Keramikern und seit jüngerer Zeit auch Keramikerinnen wuchs heran, ausgebildet in staatlichen Betrieben und Forschungsinstituten. Mit dem marktwirtschaftlichen Wandel in den 1990er-Jahren gründeten viele von ihnen Privatbetriebe. Ein Meilenstein und eine grosse Herausforderung für das komplexe Handwerk stellte dabei der Übergang von mit Holz befeuerten Drachenöfen zu Gasöfen dar. Mit Seladon-Glasuren der Spitzenklasse – nun im Zeichen des UNESCO-Weltkulturerbes und des chinesischen Kulturerbeschutzes – positionierten sich einige Keramiker seither erfolgreich als national anerkannte Meister. In Werkstätten am Seladon-Museum in Longquan spezialisieren sie sich heute auf Glasurfarben und Krakelees und entwickeln ihre eigenen Stile. «Das Seladon-Porzellan erlebt eine neue Blüte», hält Kuratorin Anette Mertens fest.
Ebenso interessant wie der Wandel und die Modernisierung des Handwerks erschien den Kuratorinnen die Frage nach den Kriterien, anhand derer die Meister heute Wert und Qualität von Seladon bemessen. Welches Spektrum an Tonarten, Glasuren und Dekoren bietet ihnen Spielraum für ihre Könnerschaft und Kreativität? «Die Handwerkerinnen und Handwerker richten ihr Augenmerk auf historische Stücke und Stile», erklärt Anette Mertens. «Die Seladone der Song-Dynastie etwa gelten bis heute als unerreicht.» Das entsprechende Wissen blieb in Keramiken, aber auch in Scherbenfragmenten in der Umgebung historischer Ofenstandorte bewahrt. Sie dienen den Keramikerinnen und Keramikern im heutigen Longquan als Inspirationsquelle. «Die Gefässe, die wir in der Ausstellung zeigen, repräsentieren das Repertoire dieser modernen Seladon-Künstler», sagt Mareile Flitsch. «Die Besucherinnen und Besucher sollen sie als Glasurliebhaber kennenlernen, die unermüdlich nach dem perfekten Seladon streben.»