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Nachhaltigkeit

Der Waldmacher

Im Kampf gegen Klimawandel und Umweltzerstörung ist guter Rat oft teuer – nicht aber, wenn man Tony Rinaudo fragt. Der Australier erklärte an der UZH einem beeindruckten Publikum, wie man mit bescheidenen Mitteln verwüstete Landschaften wieder zum Blühen bringt.
David Werner

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«Schwieriger, als Bäume wachsen zu lassen, ist es, Menschen zum Umdenken zu bewegen», sagt der Agronom Tony Rinaudo an der UZH. (Bild: David Werner)

 

«Der Raubbau an unseren Lebensgrundlagen stellt uns vor wachsende Probleme  – Tony Rinaudo ist einer, der eine Antwort darauf hat.» So stellte Lorenz Hilty, UZH-Professor für Informatik und Vorsitzender der Kommission für Nachhaltigkeit der UZH, den Gastredner aus Australien vor.

Der Agronom Tony Rinaudo gilt vielen als Hoffnungsträger, weil er nicht nur mahnend, warnend und belehrend durch die Welt zieht, sondern mit konkreten Ideen aufwartet, die er selbst umsetzt. Seine Erfolge sprechen für sich.

Grüne Hügel statt dürre Steppen

In Humbo zum Beispiel, einer Gegend in Äthiopien südlich der Hauptstadt Addis Abeba, sind die Hügel dank Rinaudos Einsatz wieder grün. Landwirtschaftliche Übernutzung und die Rodung des Baumbestands hatten diese Gegend veröden lassen. Heute betreiben die Bewohner des Landes wieder Ackerbau und lassen ihr Vieh zwischen den Bäumen weiden. Sie können sich wieder selbst versorgen und erzielen sogar Ernteüberschüsse, die sie vermarkten.

Auf dieselbe Weise konnten auch in anderen Ländern wie Tschad oder Mali viele Hektaren Land regeneriert werden. Allein in Niger wurden 200 Millionen Bäume hochgezogen.

Bestechend einfach

Die Methode, die hinter diesen Erfolgen steckt, trägt den Namen «Farmer Managed Natural Regeneration (FMNR)». Sie ist bestechend einfach. In seinem Vortrag an der UZH brauchte der Agraringenieur nur wenige Sätze, um sie zu erklären. 

Rinaudo machte in den Achtzigerjahren in seiner australischen Heimat die Beobachtung, dass die durch Raubbau und landwirtschaftliche Übernutzung angerichtete Verwüstung von einst fruchtbaren Gegenden nicht irreversibel ist. Übernutzte, entwaldete, ausgetrocknete und verödete Landstriche können wieder in fruchtbaren Boden verwandelt werden – ganz ohne aufwändige und teure Bewässerungs- und Aufforstungsmassnahmen. Den Schlüssel dazu bilden scheinbar wertlose Vegetationsreste. Im vertrockneten Gestrüpp und den verdorrten Stümpfen, die vom einstigen Baumbestand übriggeblieben sind, erkannte Rinaudo einen «verborgenen Wald». 

Quellen sprudeln wieder

Es bedarf nur geringer Eingriffe, um ihn wieder zum Leben zu bringen: Beschneidet man die Vegetationsreste richtig und fördert die Haupttriebe, erholen sich die Pflanzen. Die Bäume wachsen wieder, und mit ihnen kommt peu à peu auch die Feuchtigkeit zurück. Versiegte Quellen beginnen wieder Wasser zu führen. Die Erosion durch Wind und Wetter nimmt ab. Das Mikroklima verändert sich. Die Temperaturen sinken. Der Regen nimmt zu. «Die Natur birgt ein erstaunliches Regenerationspotential, man muss es nur zu wecken wissen», sagt Rinaudo.

Scheren und Zäune

Im Vergleich zu Aufforstungskampagnen mit Setzlingen ist Rinaudos Ansatz viel billiger. Externe Forstexperten müssen nicht beigezogen werden, die einheimischen Bevölkerung kann selbst für die Gesundung ihres Bodens sorgen. Weder teure Bewässerungsanlagen noch Düngemittel sind notwendig. Scheren, um die Triebe zu schneiden, und Zäune, um die nachwachsenden Knospen und Blätter vor Verbiss zu schützen, reichen aus.

Aufwändiger als die Methode selbst ist es, die ansässigen Menschen zum Umdenken zu bewegen. Dazu müssen Ängste und alte Gewohnheiten überwunden werden. Wer ums nackte Überleben kämpft, denkt oft nicht in längeren Zeiträumen, erklärte Rinaudo in seinem Vortrag an der UZH, der von der Kommission für Nachhaltigkeit der UZH gemeinsam mit dem Hilfswerk World Vision organisiert wurde.

Vertrauen fassen

Neue Büsche und Bäume zu ziehen, statt die verbliebenen als Brennholz zu verwenden, setzt Vertrauen in die Zukunft voraus. «Viele Bauern sehen Bäume und Büsche als Konkurrenz für ihre Nutzpflanzen an», sagte Rinaudo. Sobald sich aber erste Erfolge bei der Regeneration des Landes einstellen, wird für die Bevölkerung evident, dass die Bäume und Büsche kein Hindernis, sondern eine Voraussetzung für die Produktivität ihres Bodens sind. 

Rinaudos Methode ist also auch in gesellschaftspolitischer Hinsicht nachhaltig: Sie setzt nicht auf zentral gesteuerte Hilfs- und Entwicklungskampagnen, sondern auf die Lernbereitschaft, die Tatkraft und das Verantwortungsbewusstsein der Menschen vor Ort. Letztes Jahr erhielt Tony Rinaudo für seine Verdienste den Right Livelihood Award, auch bekannt als «alternativer Nobelpreis».

Menschen befähigen

Die Idee, die Menschen vor Ort zur nachhaltigen Bewirtschaftung ihres Bodens zu befähigen, fand beim Publikum an der UZH grossen Zuspruch. Rinaudo wurde im Anschluss an seinen Vortrag von Fragen regelrecht bombardiert.

Doch wie lässt sich bewerkstelligen, dass sich bewährte Methoden wie jene von Rinaudo weltweit stärker und schneller durchsetzen? Das war das Hauptthema des Podiumsgesprächs im zweiten Teil des Anlasses. Teilnehmende waren die Publizistin Anna Rüffer, die Politikerin Marionna Schlatter, die Studentin und Nachhaltigkeitsaktivistin Marie Claire Graf sowie der Ökologe Thomas William Elliott.

Mehrfach wurde in der Runde die Forderung nach einem grösseren Engagement von Politik und Wirtschaft für Nachhaltigkeitsprojekte laut. Rinaudo selbst betonte, die Verbreitung einer guten Idee hänge zuallererst vom Engagement der Betroffen vor Ort ab. Ihr gutes Beispiel und ihr Erfolg motiviere Nachahmerinnen und Nachahmer. 

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