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Hat die Schweiz ein Mathe-Problem?

Vielen Maturandinnen und Maturanden mangelt es an nötigen mathematischen Kenntnissen für ein universitäres Studium. Woran das liegt und wie man die Defizite verringern könnte, wurde an einer Podiumsdiskussion lebhaft diskutiert.
Nathalie Huber
Dass Maturanden jedes Studium erfolgreich aufnehmen können, sei eine Idealvorstellung, erklärte Franz Eberle, Professor für Gymnasialpädagogik.


«2 + 2=5! Sind Schweizer Maturanden noch fit fürs Studium?» – so lautete der provokative Titel der gemeinsam von UZH Sience Alumni und der Schweizerischen Studienstiftung organisierten Podiumsdiskussion. Die Feststellung, dass Maturanden ein Defizit in Mathematik haben, brenne vielen Lehrpersonen und Hochschulen unter den Nägeln, stellte Moderator und Science-Alumni-Präsident Servan Grüninger gleich zu Beginn der Veranstaltung fest.   

Franz Eberle, kürzlich emeritierter UZH-Professor für Gymnasialpädagogik, thematisierte in seinem Inputrefarat unter anderem die Ziele des Gymnasiums. In der Schweiz haben Maturandinnen und Maturanden prüfungsfreien Zugang zu jedem Studiengang – abgesehen vom Medizinstudium. Maturandinnen und Maturanden sollten also auch die entsprechenden Vorkenntnisse mitbringen, um jedes Studium erfolgreich aufnehmen zu können. Diese allgemeine Studierfähigkeit sei aber eher eine Fiktion, erklärte Eberle. Untersuchungen haben ergeben, dass nicht alle Maturandinnen und Maturanden in Physik und Mathematik so gut sind, dass sie Physik studieren könnten. Dazu fehlen ihnen basale mathematische Kompetenzen.

Mathe-Schwäche bei den Sozialwissenschaftlern

Bereiten die Gymnasien ihre Schülerinnen und Schüler in der Mathematik zu wenig gut auf ein Studium vor? «Wir stellen uns diese Frage ganz ernsthaft», betonte Marc König, Präsident der Gymnasialrektorenkonferenz. Wichtig sei diesbezüglich die Sicht der Studierenden. Studentinnen und Studenten der ETH oder der EPFL würden zwei Jahre nach der Matura ihr im Gymnasium erworbenes Wissen in Chemie, Mathematik oder Physik als gut bewerten. Dies zeige, dass offenbar viele Gymnasien ihre Schülerinnen und Schüler nicht schlecht auf das mathematisch-naturwissenschaftliche Studium vorbereiteten. Franz Eberle entgegnete, dass ETH-Studierende in der Regel ohnehin eine Affinität zu Mathematik hätten. Anders sieht es bei Studierenden der Sozialwissenschaften aus. Sie bringen die für das empirische Arbeiten notwendigen mathematischen Kenntnisse oft nicht mit und fallen dann durch die Prüfungen.

Es diskutieren (v.l.n.r.): Franz Eberle, Silvia Steiner, Servan Grüninger, Meike Akveld, Marc König


Keine MINT-Spezialisierung erwünscht

Ist das Schweizer Modell des Gymnasiums mit einem grossen Fächerangebot überhaut noch zeitgemäss? Oder braucht es eine frühe MINT-Spezialisierung, wie dies in andern Ländern in Gymnasien der Fall ist? Silvia Steiner und Franz Eberle lehnten eine Fachspezialisierung für Schweizer Gymnasien vehement ab. «Wir müssen junge Menschen flexibel schulen, sodass sie offen für Veränderungen sind und vernetzt denken können», erklärte Silvia Steiner. Wer sich zu früh spezialisiere, schränke sich unnötig ein, brachte Franz Eberle ein. Das Gymnasium habe zudem die Aufgabe, die Schüler auf unterschiedliche, anspruchsvolle Aufgaben in der Gesellschaft vorzubereiten. In den meisten gymnasialen Fächer werden auch Wissen und Können sowie weitere Kompetenzen gelehrt und gelernt, die man in keinem Studienfach voraussetzt.

Defizite lassen sich bedingt kompensieren

Kann man beim Übertritt vom Gymnasium in die Hochschule Defizite noch aufholen? Meike Akveld, ETH-Dozentin für mathematische Didaktik am Lehrstuhl für Mathematik & Ausbildung, bejahte dies. Die ETH bietet Brückenkurse an, in denen Studierende ihre Mathematikschulkenntnisse repetieren und auffrischen können. Darüber hinaus belegen ETH-Studierende auch Prüfungsvorbereitungskurse und nehmen Coachings während des Semesters in Anspruch. Dennoch würden einige Studierende im ersten Jahr scheitern, sagte Akveld. Allerdings beruhe das oft auf mangelnden überfachlichen Kompetenzen wie Lernsttrategie, Frustrationstoleranz oder Selbsteinschätzung. Diesbezüglich könne man die Studierenden nur bedingt unterstützen, gerade Frustrationstoleranz müsse man schon im Vorschulalter lernen.

Ein weitere Gesprächsfrage war, ob man ungenügende Mathematiknoten nicht mehr mit anderen Fächernoten kompensieren dürfe. Wenn alle Schülerinnen und Schüler die Mathematikmatura mit Note vier bestünden, hätten sie später keine Mathematik-Defizite im Studium. Franz Eberle äusserte sich entschieden gegen die Abschaffung von Kompensationsmassnahmen. Die Schüler müssten sehr viele Fächer belegen. «Es muss auch die Möglichkeit geben, dass man Schwächen hat. Das ist jugendgerecht.»

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