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Die Mutter kümmert sich um die Kinder, der Vater arbeitet Vollzeit – dieses gesellschaftliche Rollenverständnis von Eltern hielt sich lange Zeit hartnäckig. In den letzten Jahrzehnten aber haben sich die normativen Erwartungen an Mütter und Väter verändert. Mutterschaft ist heute für die weibliche Identität und ein erfülltes Leben als Frau nicht mehr zwingend. Von Müttern wird nicht mehr erwartet, dass sie ihre Erwerbsarbeit aufgeben, während es zunehmend selbstverständlich ist, dass sich Väter an der Kindererziehung und -betreuung beteiligen.
Zusammen mit Sozialwissenschaftlern aus Deutschland haben Forschende der Universität Zürich (UZH) nun untersucht, wie sich diese veränderten gesellschaftlichen Erwartungen auf die Lebenszufriedenheit von Müttern und Vätern ausgewirkt hat. Für ihre empirische Studie werteten sie Daten der für Deutschland repräsentativen Langzeitstudie des Sozio-oekonomischen Panels am Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) aus. Diese enthält Angaben von mehr als 18'000 Frauen und knapp 12'000 Männer, die von 1984 bis 2015 befragt wurden. «Während in der Öffentlichkeit in den letzten Jahren vermehrt thematisiert wurde, dass Eltern unter grossen Belastungen stehen oder ihre Elternschaft sogar bedauern, zeigen unsere Analyse das Gegenteil», sagt Erstautor Klaus Preisner vom Soziologischen Institut der UZH.
In den 1980er-Jahren gaben Mütter bei Befragungen mehrheitlich an, weniger zufrieden mit ihrem Leben zu sein als kinderlose Frauen. Das «Glücksversprechen Kind» – auch eine Folge des damaligen Tabus, kritisch über die Mutterschaft zu sprechen – wurde damals nicht eingelöst. «Mit zunehmenden Freiheiten, sich für oder gegen ein Kind zu entscheiden und die Elternschaft zu gestalten, ist der sogenannte ‹maternal happiness gap› verschwunden. Heute finden wir keine Unterschiede mehr in der Lebenszufriedenheit von Müttern und kinderlosen Frauen», so Preisner.
Anders bei Männern: Im Unterschied zu Frauen wurde von Männern früher nicht erwartet, sich an der Kinderbetreuung zu beteiligen, eine Elternzeit zu nehmen oder die Erwerbsarbeit zumindest zeitweise einzuschränken. Obwohl dies heute anders ist, hat sich die Zufriedenheit von Vätern mit ihrem Leben im Vergleich zu kinderlosen Männern dadurch kaum verändert. Mehr noch: Sie unterscheiden sich nicht. «Väter, die den neuen Erwartungen gerecht werden, werden heute immer häufiger mit öffentlicher Anerkennung für ihr Engagement belohnt», ergänzt Preisner.
Möglich wurden mit diesen veränderten normativen Erwartungen in Deutschland auch neue familienpolitische Massnahmen wie etwa die Elternzeit nach der Geburt eines Kindes sowie die Schaffung von Betreuungsmöglichkeiten für Kinder ausserhalb der Familie. Einerseits können Mütter und Väter so freier entscheiden, wie sie ihre Elternschaft im Hinblick auf Eigen- und Fremdbetreuung gestalten wollen. Andererseits sind die Rollen und Aufgaben zwischen Müttern und Vätern heute weniger ungleich verteilt. Beides wirkt sich positiv darauf aus, wie zufrieden Eltern mit ihrem Leben sind.
Die grösseren Freiräume sowie die Angleichung von Mutter- und Vaterrolle werden durch eine moderne Familienpolitik gefördert – wenn nicht gar erst ermöglicht. Elternurlaub ermöglicht es Müttern und Vätern, sich gemeinsam an Betreuungsaufgaben zu beteiligen und daran teilzuhaben, wie ihre Kinder aufwachsen. Zudem erleichtert die subventionierte externe Kinderbetreuung, wie sie Deutschland kennt, die Vereinbarkeit von Elternschaft und Erwerbsarbeit. Klaus Preisner sieht noch einen weiteren Vorteil: «Diese familienpolitischen Massnahmen sind nicht nur im Sinne der Gleichstellung von Frauen und Männern von grosser Bedeutung. Ebenso wichtig sind sie im Hinblick auf die Lebenszufriedenheit der Eltern und damit letztlich auch der Kinder.»
Klaus Preisner, Franz Neuberger, Ariane Bertogg und Julia M. Schaub. Closing The Happiness Gap: The Decline of Gendered Parenthood Norms and the Increase in Parental Life Satisfaction, Gender & Society. August 27, 2019. DOI: 10.1177/0891243219869365