Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

Klimawandel

Gärtnern, wenn es tropisch wird

Die Sommer sind heiss und trocken, die Winter mild und nass. Der Klimawandel zeigt sich auch in unseren Gärten. Wie er sich auf unsere Nutzpflanzen auswirkt und worauf Gärtnerinnen und Gärtner achten sollen, erklärt Peter Enz, Leiter des Botanischen Gartens der UZH, im Gespräch.
Interview: Nathalie Huber
Okra
Okra ist ein aus Afrika stammendes Gemüse, das bei einem wärmeren Klima auch grossflächig in der Schweiz angebaut werden könnte.

Herr Enz: Womit haben unsere Nutzpflanzen aufgrund des Klimawandels zu kämpfen?

Generell sind unsere Nutzpflanzen grösserer Hitze, Trockenheit und Nässe ausgesetzt. Bei langanhaltender Trockenheit blühen Pflanzen zu früh oder zu Unzeiten. In der Schweiz hat man Sorten wie Broccoli und Blumenkohl gezüchtet, die an ein kühleres Klima mit kürzeren Vegetationszeiten angepasst sind. Wird es nun im Sommer zu heiss, schiesst der Broccoli in die Höhe und entwickelt keine Röschen, oder der Blumenkohl geht auf und blüht wie Raps. Ein anderes Phänomen sind blühende Obstbäume im Herbst. In der Regel sind die Blütenanlagen bis Ende Sommer gebildet. Bleibt es ab Mitte Juli über mehrere Wochen hinweg trocken, können die Bäume im Oktober, bei vorhandener Feuchtigkeit, erneut blühen. Die Reifezeit für die Früchte ist bis zum Winter aber zu kurz. 

Grosse Trockenheit kann auch dazu führen, dass Pflanzen übergrosse Ernten produzieren und dadurch geschwächt werden, oder dass sie zu wenig Nährstoffe im Substrat haben. Beispielsweise lässt sich die sogenannte Blütenendfäule bei Tomaten, die sich in schwarzen Flecken an den Blütenansatzstellen an den Früchten zeigen, auf Kalziummangel zurückzuführen.

Und was passiert, wenn es zu nass ist?

Andauernde Nässe, vermindert die Lagerfähigkeit von Gemüse – Kartoffeln und Zwiebeln faulen früher. Zu grosse Feuchtigkeit führt auch zu höherem Pilzbefall, Gärtnerinnen und Gärtner müssen zu Pflanzenschutzmittel greifen. Auch fehlender Frost im Winter begünstigt den Pilzbefall, ausserdem überleben exotische Schädlinge, die der Frost normalerweise abtötet.  

Was bedeutet dies für die Gärtnerinnen und Gärtner?

Die saisonalen Zyklen des Klimas haben sich verändert, und dies müssen wir beim Gärtnern beachten. Das heisst, dass wir uns an neue Aussaat- und Pflanzzeiten gewöhnen müssen. Gewisse Pflanzen können wir zukünftig früher anpflanzen und ernten: Gemüse wie Erbsen, Ackerbohnen, Kefen oder Mangold können wir bereits Anfang März aussäen und im Mai ernten. Bei einem wärmeren Klima könnte es sein, dass wir die ersten Erdbeeren und Spargeln bereits an Ostern in unseren Schweizer Gärten pflücken.

Auch die Standorte müssen überprüft werden, um die Qualität der Ernte sicherzustellen. Zum Beispiel pflanzen heute Weinbauern in der Toskana Chardonnay- und Pinot Bianco-Trauben aufgrund der höheren Temperaturen neuerdings an Nordhängen an. Dadurch bleibt die Frische und Leichtigkeit der Weine erhalten.

 

Der Mangold gedeiht gut in Bergregionen.

Welche Nutzpflanzen leiden besonders unter einem wärmeren Klima und können längerfristig allenfalls nicht mehr angebaut werden? 

Im Schweizer Mittelland sind der Mangold und gewisse Salatsorten betroffen, ausserdem Zucker- und Futterrüben oder althergebrachte Sorten wie die Stangenbohnen «Weinländerin» und «Posthörnli». Sie alle verlangen nach einem kühleren Klima mit kürzeren Vegetationszeiten und müssen daher, bei ansteigenden Temperaturen, in höheren Lagen angepflanzt werden.

Ist das ein realistisches Szenario?

Mangold lässt sich beispielsweise gut in höheren Lagen anpflanzen. Dies zeigt sich in Graubünden, wo er gut gedeiht. Aber für den grossflächigen Anbau von Nutzpflanzen braucht es grosse, flache Felder. Gewisse Kohlsorten könnte man vielleicht als Nischenprodukte im Unterengadin pflanzen. Ein grossflächiger Anbau ist in Bergregionen aber nicht möglich.

Können wir in Zukunft vermehrt Nutzpflanzen aus dem Mittelmeerraum oder den Subtropen anbauen?

Bei einem wärmeren Klima könnten wir gut andere Soja- und Zuckermais-Sorten, Reis, Okra und Bergpfirsiche anpflanzen. Wir könnten ein vielfältigeres Angebot an Auberginen, Peperoni, Tomaten, Kürbis, Zucchetti, Gurken, Chicorino, Melonen und asiatischem Blattgemüse pflegen. Nischenprodukte wie Feigen, Ingwer und Süsskartoffeln, die wir bereits heute in der Schweiz kultivieren, hätten dann ebenfalls bessere Bedingungen. Wenn es nun ganz massiv wärmer würde, könnte ich mir auch vorstellen, dass wir anstelle von Zuckerrüben Zuckerrohr anbauen.

Werden gewisse Schweizer Nutzpflanzen ganz verschwinden?

Ich denke nicht. Allenfalls müssten wir bei einem stetig wärmeren Klima auf den Anbau von Zuckerrüben verzichten, da diese viel Wasser brauchen. Wichtig ist, dass wir das Genmaterial unserer Nutzpflanzen bewahren, sodass wir darauf zurückgreifen könnten, falls wieder andere klimatische Bedingungen vorherrschen sollten.

Werden heute bereits hitzetolerantere Sorten gezüchtet? 

Ja, gewisse Schweizer Saatzuchtbetriebe züchten bereits neue, hitzerobustere Sorten. Die Züchterinnen und Züchter gehen dabei so vor, dass sie Samen von jenen Pflanzen für die Folgegenerationen verwenden, die sich der Hitze gegenüber als widerstandsfähig zeigten.

Wie lange dauert es, bis man gut angepasste Sorten gezüchtet hat?

Bei Kräutern und Gemüsen dauert die traditionelle züchterische Arbeit für eine neue und qualitativ gute Sorte sieben bis zehn Jahre. Bei Reben, Beeren und Obst dauert es 15 bis 25 Jahre. Ein Beispiel: Vor rund zehn Jahren begann man, Sojabohnen für das gemässigte Klima in der Schweiz zu züchten. Die Sojapflanzen entwickelten sich relativ gut im grossflächigen Ackerbau. Heute ist das Klima wärmer und neue Sortentests stehen an.

Woran können sich Gärtnerinnen und Gärtner angesichts des Klimawandels überhaupt noch orientieren?

Fakt ist: überlieferte Regeln gelten nicht mehr, Ratgeberliteratur veraltet rasch. Ich empfehle, die aktuellen Sortenkataloge von renommierten Schweizer Saatzucht-Unternehmen wie BioZollinger oder Sativa zu konsultieren und Fachleute nach neuen hitzetoleranteren und standortangepassteren Sorten zu fragen. Hilfreich ist auch ein Blick auf die Felder der Bauern. Ihre langjährige Expertise kann uns wichtige Impulse für das eigene Gärtnern liefern, insbesonders was Saat- und Erntetermine betrifft.

Wie können Hobbygärtnerinnen und -gärtner ihren Teil zum Klimaschutz beitragen?

Sie können zum Beispiel das Regenwasser während der regenreichen Zeit sammeln. Giessen sollte man seine Pflanzen jeweils ausgiebig am frühen Morgen, das ist besser als sie jeden Mittag oder Abend zu besprühen. Der Gartenboden soll wenn möglich immer bewachsen sein. Wer beispielsweise Wintergemüse anpflanzt, kann ihn vor Erosion durch Stürme oder Regen schützen. Zudem sind Zwischenräume bei befestigten Plätzen ums Haus hilfreich, somit gelangt das Regenwasser ins Grundwasser und erneuert dieses. Ein eigener Komposthaufen verwertet nicht nur Reste im Garten sinnvoll, sondern ist auch ein effektiver Pflanzendünger und hilft den Boden zu verbessern. Zudem speichert Humus Wasser und gibt es langsam wieder an die Pflanzen ab. So kann man auf Torf oder andere Zusatzstoffe verzichten. Wichtig ist auch, dass Gärtnerinnen und Gärtner die Bodengare, und damit einhergehend Feuchtigkeit und wichtige Nährstoffe, erhalten.

Weiterführende Informationen