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Wer mit Suchmaschinen recherchiert oder auf Facebook und WhatsApp seine Meinungen äussert, hinterlässt zahlreiche digitale Spuren. Internetnutzerinnen und -nutzer haben das Gefühl, dass diese Spuren zu Überwachungszwecken genutzt werden. Gemäss der Studie der UZH sind 43 Prozent der 1’122 befragten Personen der Ansicht, die Online-Überwachung schade der Gesellschaft. Zudem zeigt sich ein grosser Anteil der Schweizer Internetnutzer (45 Prozent) besorgt, dass Unternehmen wie Facebook ihre Privatsphäre online verletzen.
Eine Folge davon ist, dass sich Internetnutzer online einschränken: Mehr als die Hälfte gibt an, dass die mögliche Überwachung sie von freier Informationssuche (59 Prozent) – etwa dem Recherchieren von sensiblen politischen Inhalten – oder vom Äussern von Meinungen, Interessen oder Gefühlen (56 Prozent) abschreckt. «Abschreckungseffekte aufgrund eines Überwachungsgefühls sind demokratiepolitisch bedenklich», betont Michael Latzer, Professor für Medienwandel & Innovation an der Universität Zürich. «Sie bedrohen die Ausübung von Grundrechten und die gesellschaftliche Teilhabe via Internet.»
Die von Michael Latzer und seinem Team zum fünften Mal durchgeführte Befragung zeigt, dass 2019 noch einmal mehr Schweizerinnen und Schweizer online sind als 2017. 92 Prozent der Schweizer Bevölkerung nutzen heute das Internet, bei den unter 50-Jährigen sind es fast 100 Prozent. 80 Prozent der Gesamtbevölkerung sind auch unterwegs online.
Die durchschnittliche Nutzungszeit verdoppelte sich seit 2011 und beträgt heute 25 Stunden pro Woche. 40 Prozent der Offliner profitieren jedoch indirekt vom Internet, indem sie andere für sich recherchieren oder Aufgaben erledigen lassen. Die Anzahl der Nichtnutzer wurde in den letzten acht Jahren mehr als halbiert. Die Zahl der absoluten Nichtnutzer (ohne Proxynutzer) liegt damit in der Schweiz bei ca. 340’000 Personen. Im Durchschnitt werden die Fähigkeiten im Umgang mit dem Internet seit 2011 relativ gleich eingeschätzt. Frauen beurteilen ihre Internetfähigkeiten schlechter als Männer.
Das Internet ist 2019 die bedeutendste mediale Informationsquelle in der Schweiz, gefolgt von Zeitung und Fernsehen. Neu liegt es auch für Unterhaltungszwecke auf dem ersten Platz vor dem Fernsehen. Eine Ausnahme bildet die Altersgruppe 70+: Für sie sind Zeitung und Radio immer noch wichtiger.
Digitaler Überkonsum äussert sich unter anderem darin, dass etwa ein Viertel (26 Prozent) der Internetnutzer glaubt, durch die Internetnutzung Zeit für Wichtigeres zu verlieren. 24 Prozent berichten, mehr Zeit online zu verbringen, als sie eigentlich möchten. 38 Prozent der Internetnutzer in der Schweiz haben das Gefühl, dass ihr privates Umfeld von ihnen erwartet, dass sie schnell auf Nachrichten antworten. Im beruflichen Umfeld empfinden dies rund drei Viertel der Nutzer (73 Prozent).
Der digitale Erwartungsdruck bezüglich Verfügbarkeit und Fähigkeiten wird speziell von den Jungen und Hochgebildeten als stärker empfunden. «Bei insgesamt hohem digitalen Wohlbefinden in der Schweiz fühlen sich die Jungen deutlich häufiger von Überkonsum und Erwartungsdruck betroffen», bilanziert Michael Latzer. «Die Jungen ergreifen aber auch am häufigsten Gegenmassnahmen, etwa das gezielte Ausschalten von Benachrichtigungen auf dem Smartphone, was nicht zuletzt mit der digitalen Kompetenz zusammenhängt». 59 Prozent der Nutzer fühlen sich eingebunden in die Informationsgesellschaft, bei den Nichtnutzern sind es nur 22 Prozent.
87 Prozent der Schweizer Internetnutzer suchen online nach Produktinformationen. 82 Prozent kaufen online ein, wobei Reisebuchungen (71 Prozent) besonders beliebt sind. Über ein Drittel (36 Prozent) verkauft auch selbst im Netz. Dienste der Sharing Economy wie Uber und Airbnb sind gegenüber 2017 deutlich gewachsen und werden von 28 Prozent genutzt; 16 Prozent bieten auch selbst solche Dienste aktiv an. Die Nutzung von sozialen Online-Netzwerken hat seit 2011 (53 Prozent) stark zugenommen (2019: 71 Prozent). Aktuell nutzt die Mehrheit (69 Prozent) diese täglich oder mehrmals täglich.
Vor allem Jüngere nutzen solche Netzwerke sehr stark: 99 Prozent der 14- bis 19-Jährigen und 87 Prozent der 20- bis 29-Jährigen sind in sozialen Netzwerken unterwegs. Rund 7 von 10 Internetnutzern (72 Prozent) laden Musik aus dem Internet herunter oder hören online Musik. Dazu werden am häufigsten Dienste wie YouTube (51 Prozent) und Spotify (35 Prozent) verwendet. Zwei Drittel der Schweizer Internetnutzer (66 Prozent) geben an, online Videos zu schauen oder herunterzuladen. Die meistgenutzten Dienste sind dabei YouTube (63 Prozent) und Netflix (42 Prozent).
Rund 6 von 10 Schweizer Internetnutzern (63 Prozent) halten zumindest die Hälfte aller Internetinhalte für glaubwürdig. Im Jahresvergleich zeigt sich seit 2013 ein deutlicher Rückgang in der Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit von Internetinhalten. Webseiten von Regierung und Behörden, der SRG und Bezahlzeitungen werden als überwiegend vertrauenswürdig eingeschätzt. Seiten von Gratiszeitungen und Inhalten auf sozialen Netzwerken wird weniger Vertrauen geschenkt. Der Anteil an Personen, welche im Internet Fakten überprüfen, ist zwischen 2013 und 2017 stark angestiegen und liegt dieses Jahr bei 71 Prozent.
Insgesamt glaubt die Schweizer Bevölkerung nicht, dass sich durch das Internet die demokratische Qualität des politischen Systems der Schweiz weiter verbessert. Nur jeweils eine Minderheit glaubt, dass Bürger aufgrund der Internetnutzung mehr Mitsprache (21 Prozent) und mehr Macht (27 Prozent) haben können, dass sie Politik besser verstehen (39 Prozent), oder dass Verwaltung und Politik wichtiger nehmen, was sie denken (27 Prozent). Im Jahresvergleich zeigt sich dennoch eine Tendenz zu steigender Zuversicht in digitale Demokratisierung. Die Hälfte der Schweizer Bevölkerung (51 Prozent) würde eine elektronische Wahl- oder Abstimmungsmöglichkeit begrüssen, wobei Personen ab 70 Jahren E-Voting deutlich skeptischer gegenüberstehen als Jüngere. «Die vieldiskutierten Sicherheitsmängel bisheriger E-Voting-Systeme zeigen Wirkung, doch liegt hier ein Potenzial, die geringe Wahlbeteiligung der Jungen zu erhöhen», sagt Michael Latzer.