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«Ich freue mich riesig auf die Jubiläumsfeier des Romanischen Seminars», sagt Barbara Schmid-Federer. Der Anlass bringe sie zurück zu ihren Wurzeln – zu ihrem Romanistik-Studium an der UZH vor knapp 30 Jahren. Das Studium habe sie gelehrt, analytisch und kritisch zu denken, und es habe ihr gleichsam das Rüstzeug für die spätere politische Karriere mitgegeben, wie die gebürtige Zürcherin betont. Wer Fremdsprachen spreche oder sich mit fremder Literaturgeschichte befasse, der lerne, sich in andere Kulturen und andere Denkwelten hineinzuversetzen.
In die französische Sprachkultur tauchte Schmid-Federer bereits als Kleinkind ein. Ihre Spielgefährten, die Nachbarskinder, sprachen nur Französisch, sodass sie sich nolens volens bereits vor dem Kindergarten in der Fremdsprache auskannte. Dies sei wohl mit ein Grund für die Wahl des Romanistik-Studiums gewesen. Das Interesse am interkulturellen Austausch habe ihr Vater geweckt, der als Kaufmann in zahlreichen Ländern arbeitete. «Abgesehen davon, glaube ich, dass ich ein gewisses Sprachtalent habe», bekennt die Alumna.
Sie studierte an der UZH französische Philologie, vergleichende Literaturwissenschaft und spanische Literatur – letzteres nachdem sie sich vom Nebenfach Publizistikwissenschaften verabschiedet hatte. «Im Spanisch war ich eine Quereinsteigerin, im Grunde konnte ich die Sprache gar nicht und musste mich wirklich hineinknien.» Aber sie habe sich total verliebt in die spanische Kultur, die Sprache und die Literatur. Gleichwohl sei sie eine durchschnittliche Studentin mit durchschnittlichen Noten gewesen. Viel mehr zählte, dass sie während des Studiums die Welt der Literatur und die Finessen der Fremdsprachen erforschen sowie gleichzeitig enge Freundschaften schliessen konnte. Mit zwei Alumna der Romanistik ist sie heute noch gut befreundet, eine von ihnen ist Literaturprofessorin Ursula Bähler.
Im Rückblick auf das Studium nennt Schmid-Federer zwei Highlights: ihre Austauschsemester an der Sorbonne und der Universität Granada sowie eine Forschungsarbeit in den Pyrenäen. Gemeinsam mit einer Studienkollegin untersuchte sie, ob in einem kleinen Dorf effektiv ein ursprüngliches «Langue d’Oc» gesprochen wurde. Der heute emeritierte Professor Jakob Wüest setzte sie jeweils morgens vor Ort ab und holte sie abends wieder ab. «Die Dorfbewohnerinnen und -bewohner lebten noch unter mittelalterlichen Umständen und wollten zu Beginn nicht mit Frauen sprechen», sagt Schmid-Federer. «Wir mussten uns erst in deren Leben integrieren, bevor wir sie interviewen konnten.»
Das Romanistik-Studium habe ihr die Tür zur ersten und gleichzeitig faszinierendsten Stelle ihres Lebens geöffnet, erzählt die Alumna. Für die Position als Assistentin des Präsidenten der ETH Zürich wurde jemand gesucht, der einen akademischen Background hatte und gut Französisch sprach. Das Profil war auf sie zugeschnitten. «Ich bin eine totale Allrounderin.» Ihr Studienhintergrund war auch für die nachfolgende Aufgabe, wiederum an der ETH, ideal. Als Leiterin der Stabsstelle Dual Career Advice betreute sie die Familien von ausländischen Professorinnen und Professoren und führte diese in die Zürcher und Schweizer Kultur ein.
Ein wichtiger Meilenstein in ihrer Karriere war die Wahl in den Nationalrat im Jahr 2007. Als Mutter zweier Söhne lag ihr die Familienpolitik nahe. Sie setzte sich beispielsweise für den Jugendschutz im Internet ein und lancierte medienwirksam die Idee von Stillzonen in Restaurants und Apotheken. Gerade während ihrer Zeit als Nationalrätin habe sie realisiert, wie wichtig ihre Fremdsprachenkenntnisse und das breit gefächerte Wissen aus ihrem Generalisten-Studium seien. Als Kommissionssprecherin war sie eine der ganz wenigen Deutschschweizerinnen, die im Nationalrat Französisch sprechen durfte. «Normalerweise sehen das die Romands nicht gerne», sagt Schmid-Federer. «Wenn nun aber jemand kommt, der nicht nur ihre Sprache spricht, sondern auch ihre Kultur kennt, dann öffnet das viele Türen.»
Im Nationalrat hat sich laut Schmid-Federer auch gezeigt, wer im kritischen Denken geschult ist, und wer nicht. Gerade die zunehmende politische wie auch gesellschaftliche Polarisierung hat aus ihrer Sicht mit einem Mangel an flexiblem Denken zu tun. Die ehemalige Nationalrätin hält fest: «Wer polarisiert, hat ein einfaches Weltbild und ein engstirniges Denken.» Romanistik-Absolventen hingegen hätten ein historisches und philosophisches Bewusstsein und gelernt, differenziert zu argumentieren. Diese Qualitäten brauche es, um politische Lösungen zu realisieren.
Barbara Schmid-Federer ist seit rund zwei Wochen Präsidentin der Stiftung Pro Juventute. Daneben präsidiert sie das Schweizerische Rote Kreuz des Kantons Zürich und ist Vizepräsidentin des Schweizerischen Roten Kreuzes. Weiter ist sie Mitglied in rund 20 Gremien – von der Stiftung Pro Mente Sana bis zu Swisspeace.
Sind das nicht ein bisschen viele Ämter? «Ich kann in all diesen Funktionen das machen, was mich am meisten motiviert: mich für die Verletzlichsten einzusetzen», erklärt sie. Um sich vermehrt auf ihr soziales Engagement zugunsten von bedürftigen Menschen konzentrieren zu können, sei sie vor einem Jahr als Nationalrätin zurückgetreten. «Sowohl beim Roten Kreuz wie bei Pro Juventute erlebe ich immer wieder an der Basis, was verletzliche Menschen wirklich brauchen. Mit unseren Aktionen können wir sehr schnell und effizient Menschen helfen.» Als Parlamentarierin erreiche man nur in kleinen Schritten etwas.
Ausserdem sei es viel einfacher, verschiedene Gremien unter einen Hut zu bringen, als ein Nationalratsmandat auszuüben. Heute bleibt ihr mehr freie Zeit als früher. Barbara Schmid-Federer kann sich deshalb auch mehr als Alumna engagieren – zum Beispiel, indem sie Studentinnen und Studenten den Mehrwert eines Romanistik-Studiums aufzeigt.