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Ai Weiwei an der UZH

«Nur wer schläft, darf unpolitisch sein»

Der chinesische Künstler und Politik-Aktivist Ai Weiwei nahm gestern an der UZH den Frank-Schirrmacher-Preis entgegen. Der Auftritt des gefeierten Stars sorgte für Grossandrang.
Nathalie Huber
Ai Weiwei
Ai Weiwei: «I never tried to be a balanced person. I clearly want to be different from general assumptions.» (Bild: Andrea Camen)


In sechs Sälen wartete das Publikum gestern Abend gespannt auf den chinesischen Konzeptkünstler, Bildhauer und Kurator Ai Weiwei. So gross das Getöse um den Gegenwartsdiagnostiker war, so unbeeindruckt gab sich der 62-Jährige. Auf Einladung des Schweizerischen Instituts für Auslandforschung (SIAF) nahm er gestern den Frank-Schirrmacher-Preis an der UZH entgegen. Dieser wurde ihm gemäss der Frank Schirrmacher Stiftung für sein «vielschichtig nachdenkliches Werk» verliehen, das mit «künstlerischer Kraft, intellektueller Spannung und kritischem Bewusstsein» die Gegenwart ausleuchtet.

Ai Weiwei gilt als engagiert, streitbar und provokativ. In China kämpfte er gegen Korruption und Menschenrechtsverletzungen. Nach regierungskritischen Äusserungen wurde er im Jahr 2011 in China inhaftiert und hatte bis 2015 Reiseverbot. Kürzlich kritisierte der heute in Berlin lebende Künstler das gesellschaftliche Klima in Deutschland.

«All is Swiss. All is Cheese»

Auch gestern verhielt er sich unkonventionell. Geplant war, dass Ai, nach der Laudatio von Altbundesrätin Calmy-Rey, eine Rede hält. Dieses Versprechen löste er nicht ganz ein: «Ich weiss, dass dies ein sehr ehrwürdiger Moment ist», erklärte Ai Weiwei. Er sei dankbar, dass er den Preis erhalte. Allerdings wisse er nicht, was er dem anfügen könne. Anstatt weiter über die ihm gebührte Ehre zu reden, fotografierte Ai die Preisurkunde und sorgte damit für Lacher im Publikum. Sein Freund und Förderer Uli Sigg, ehemaliger Botschafter der Schweiz in China, beschrieb Ai Weiwei später während des Roundtable-Gesprächs mit folgenden Worten: «Er ist der geborene Querdenker.» Er möge zwar knuffig aussehen, aber er sei kompromisslos, wenn es um die Verteidigung seiner Werte gehe.

Etwas eloquenter gab sich der Künstler im Austausch mit Micheline Calmy-Rey, Uli Sigg und dem SIAF-Präsidenten Martin Meyer, der das Roundtable-Gespräch leitete.

Ai erzählte davon, wie er sich lange Jahre vergeblich um Anerkennung in China bemüht habe. Leider sei ihm diese Anerkennung versagt geblieben. Deshalb lebe er jetzt im Exil. Seine Heimat sei das Hotel.

Ai Weiweis wichtigste Botschaften des Abends waren folgende:

  • Das Leben in Freiheit und Demokratie in Europa sei sehr komfortabel. Doch genau dieser hohe Lebenskomfort sei ein Problem. Es brauche nicht Komfort, sondern Effort, damit Freiheit und Menschenrechte nicht ihre Bedeutung verlören. Wer über Demokratie und Freiheit spreche, müsse sich zunächst einmal fragen, wie stark er sich dafür engagiere.  
  • Alles sei politisch, auch die Kunst müsse politisch sein. «Nur wer schläft, darf unpolitisch sein.»
  • Als Künstler sei er kein Priester, dafür verstehe er sich selbst viel zu wenig. Als Künstler wolle er die Menschen nicht überzeugen, sondern inspirieren.
  • Sein Problem sei, dass er keinen Sinn für Ernsthaftigkeit besitze – und trotzdem immer als ernsthafte Person dargestellt werde.

Die letzte Pointe lieferte Moderator Martin Meyer mit dem Geschenk für Ai Weiwei. Wie an SIAF-Veranstaltungen üblich, erhielt der Gast ein auf ihn zugeschnittenes Präsent. Man habe sich am Institut wirklich lange überlegt, was man ihm schenken könne, das ethisch korrekt und nicht in Plastik verpackt sei, erklärte Meyer ­– und überreichte Ai Weiwei den Spezialitätenkäse «Chällerhocker» mit der Aufschrift: «All is Swiss. All is Cheese.»

 

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