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Es war eine grosse Zeit für die Kernforschung, damals, vor sechzig Jahren, als Verena Meyer, die spätere Rektorin der Universität Zürich, sich für ein Physikstudium einschrieb. Physik war zur unangefochtenen Leitwissenschaft avanciert, dem Fach gehörte die Zukunft. Die Schweiz erwog, eine Atomstreitmacht zu werden und investierte viel in die Nuklearforschung. Die Physikabteilungen der Schweizer Universitäten wuchsen schlagartig, und in kurzer Zeit erreichte die Schweiz in der Kernphysik eine internationale Spitzenposition.
Wer Talent und Einsatzbereitschaft mitbrachte, dem boten sich in dieser Aufbruchsphase grosse Chancen und Möglichkeiten. Auch Verena Meyer teilte diese Forschungseuphorie. Sie war eine begeisterte Studentin. Das Physiklabor der Universität Zürich bildete ihren Lebensmittelpunkt. Obwohl sie die einzige Physikstudentin weit und breit war, war sie in ihre Forschungsgruppe voll integriert. Einen kleinen Ausgleich bildeten das Cello und die wöchentlichen Proben des Akademischen Orchesters. Ansonsten ging Verena Meyer ganz in ihrem Studium auf.
Verena Meyer stammte aus einer Akademikerfamilie. Der Vater war Geschichtsprofessor an der Universität Zürich. Die Mutter war Juristin, vor der Familiengründung war sie in der Berliner Jugendanwaltschaft tätig gewesen. Dass Verena Meyer studieren würde, stand ausser Frage. Naturwissenschaften interessierten sie am meisten, sie wählte jedoch Medizin, dies schien einer jungen Frau eher angemessen.
Zum medizinischen Grundstudium gehörten auch Physikkurse. Sie waren nicht sonderlich beliebt, denn sie galten als besonders schwierig. Für Verena Meyer aber wirkten diese Kurse als Initialzündung. Nach dem bestandenen medizinischen Propädeutikum sattelte sie auf Physik um.
Ihre berufliche Laufbahn ergab sich von da an wie von selbst. Verena Meyer wurde schon früh in die Forschung einbezogen. Als Postdoc ging sie für zwei Jahre in die USA, wo sie auch den Bau eines Teilchenbeschleunigers zu überwachen hatte, den die Universität Zürich in Auftrag gegeben hatte. Durch diese Mission vertiefte sich ihre Bindung an das Physik-Institut, anderseits sammelte sie wichtige Auslandserfahrungen. Zurück in Zürich wurde sie 1963 Extraordinaria. Fünf Jahre später wurde sie zur ordentlichen Professorin für Experimentalphysik befördert. Ihr Spezialgebiet: Kernphysik.
1976 wurde Verena Meyer Dekanin. Die Mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät war stolz darauf, erstmals eine Frau an ihrer Spitze zu haben. Eine wichtige biografische Zäsur für Verena Meyer war die Zeit als Rektorin der Universität Zürich von 1982 bis 1984.
In dieser Zeit erwachte ihr Interesse für die Wissenschaftspolitik – und sie übernahm hier bald auch auf nationaler Ebene Verantwortung. In den Achtziger- und den Neunzigerjahren bekleidete sie wissenschaftspolitische Schlüsselpositionen: Als Vorsitzende der Abteilung IV des Schweizerischen Nationalfonds war sie für nationale Forschungsprogramme zuständig. Danach war sie Mitglied und später, bis 2000, Präsidentin des Schweizerischen Wissenschafts- und Technologierates SWTR, dem beratenden Organ des Bundesrates für Fragen der Wissenschafts-, Hochschul-, Forschungs- und Technologiepolitik.
Weit über die Emeritierung 1994 hinaus blieb Verena Meyer in der Wissenschaftspolitik aktiv. Neben ihren Funktionen in den erwähnten nationalen Gremien hatte sie Einsitz in verschiedensten Stiftungen.