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Es war ein Bild mit Seltenheitswert, das sich im Rahmen der Ringvorlesung «Geschichte, Gegenwart und Perspektiven des akademischen Mittelbaus» bot: Auf dem Podium sassen neben UZH-Prorektorin Gabriele Siegert nicht weniger als drei ehemalige Präsidenten der Vereinigung akademischer Mittelbau der UZH (VAUZ): Rudolf Wehrli, Verwaltungsratspräsident Clariant und VAUZ-Präsident von 1976-1979, Martin Dahinden, Schweizer Botschafter in Washington und VAUZ-Präsident 1985-1986 sowie Sebastian Brändli, Amtschef des Hochschulamts Kanton Zürich und VAUZ-Präsident 1987-1990. Moderiert wurde das Podium von Oriana Schällibaum, aktuelle Co-Präsidentin der VAUZ. Krankheitshalber fehlte Caroline Maake als Vertreterin der PD-Vereinigung der UZH.
Wie ein roter Faden zog sich die Feststellung durch das Gespräch, dass früher wie heute die akademische Hierarchie einer Pyramide gleicht: oben ist deutlich weniger Platz als unten. Dies wirkt sich wie folgt aus, wie Oriana Schällibaum einleitend erläuterte: 75 Prozent der Postdocs streben eine akademische Karriere an. Pro Jahr gibt es in der Schweiz aber nur 200-250 vakante Professuren. Entsprechend geht der Berufswunsch, Professor oder Professorin zu werden, nur für etwa 10 Prozent der Postdocs in Erfüllung.
Das Phänomen ist nicht neu. Rudolf Wehrli berichtete von intensiven Diskussionen in den 1970er-Jahren mit dem damaligen Bildungsdirektor Alfred Gilgen. Immer wieder habe er diesen auf die unsicheren Zukunftsaussichten des Mittelbaus aufmerksam gemacht. «Begabte Nachwuchsforschende brauchen eine Perspektive», so Wehrli.
Mit einer zusätzlichen Förderungskategorie wollte die VAUZ in den 1980er-Jahren die Situation verbessern, blickte Sebastian Brändli zurück. Die Idee: Eine längerdauernde Anstellung für besonders Begabte auf der Stufe Oberassistenz. Der Vorschlag sie damals zwar nicht aufgenommen worden, sagte Brändli. Mit den Förderungsprofessuren habe der Schweizerische Nationalfonds aber 1999 ein vergleichbares und wertvolles Instrument geschaffen.
Die Podiumsteilnehmenden waren sich denn auch einig: Die Situation hat sich in den vergangenen Jahrzehnten unter anderem mit dem Instrument der Förderungs- und der Assistenzprofessur verbessert. An der UZH seien zudem diverse Ideen zur Unterstützung des Mittelbaus umgesetzt worden, meinte ein UZH-Professor im Publikum mit Blick etwa auf Coaching, Peer-Mentoring und Graduiertenschulen. Prorektorin Siegert verwies insbesondere auf die Angebote des Graduate Campus für Doktorierende und Postdocs.
Die pyramidenförmige Hierarchie sei nicht nur in der Welt der Hochschulen anzutreffen, betonten die Podiumsteilnehmenden. Im diplomatischen Dienst beispielsweise stelle sich dasselbe Problem, sagte Martin Dahinden: Viele wollen, nicht alle können. Im Gegensatz zu früher erhielten die Bewerberinnen und Bewerber heute in Assessments schon früh ein Feedback, ob sie geeignet seien.
Eine realistische Selbsteinschätzung sei wichtig, und dies bedinge auch eine möglichst frühzeitige, ehrliche Rückmeldung der Vorgesetzten, waren sich die Podiumsteilnehmenden einig. Dahinden appellierte an den Mittelbau, offen zu bleiben für berufliche Wege auch ausserhalb der Universität: «Die Zeit als Angehöriger des Mittelbaus qualifiziert für verschiedene berufliche Wege.»
Einen anderen beruflichen Weg einzuschlagen sei kein Scheitern, waren sich die Diskutierenden einig. Es sei keine Katastrophe, zu realisieren, dass man für etwas anderes besser geeignet sei. Allerdings sollte es nicht so sein, dass Postdoktorierende fünfzehn Jahre an einer Hochschule verbleiben, ohne nennenswerte akademische Erfolge vorweisen zu können. «Wer mit 38 Jahren noch an der Habilitation arbeitet, sollte begreifen, dass er auf dem falschen Weg ist», sagte Rudolf Wehrli.
Wehrli selber strebte zuerst eine akademische Karriere an. Gerade in seinem Amt als VAUZ-Präsident entdeckte er aber andere Interessen und entschied sich für eine Laufbahn in der Wirtschaft.
Auch Prorektorin Gabriele Siegert regte an, eine eigene Karriereplanung vorzunehmen und auch innerhalb des eigenen Fachgebietes verschiedene Optionen zu prüfen. Zudem sei es wichtig, sich international zu vernetzen und auch bereit zu sein für Auslandaufenthalte: «Ich sehe eine Mangel an Mobilität.» Rudolf Wehrli stellt auch in der Wirtschaft eine mangelnde Bereitschaft zu Konzessionen fest: «Es wird immer schwieriger, Mitarbeitende international zu versetzen.»