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In Kenia begehen Polizeikräfte immer mehr Menschenrechtsverletzungen. Lassen sich dabei bestimmte Muster erkennen, wer zum Opfer wird? Mit dieser Fragestellung wandte sich Amnesty International Kenia an Professorin Anita Gohdes vom Institut für Politikwissenschaft der UZH.
Ein gutes Thema für einen so genannten «Capstone Course»: Dieses vor zwei Jahren geschaffene Lehrformat stösst bei den Studierenden auf grosses Interesse. Masterstudierende können einen Capstone-Kurs anstelle von zwei Masterseminaren besuchen.
Zwei Semester lang haben sie in vier-bis fünfköpfigen Teams Zeit, eine Studie zu erstellen. Sie werden dabei fachlich von einem Professor oder einer Professorin unterstützt, sind aber für ihr Projekt eigenverantwortlich zuständig. Besonders motivierend: Die Forschungsfragen stammen von externen Auftraggebern – etwa aus der Wirtschaft, der Verwaltung – oder von Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International im Falle der Menschenrechtsverletzungen in Kenia.
Elf Studierende bewarben sich für den Capstone-Kurs «Analyzing human rights violations in Kenya», fünf wurden ausgewählt. «Unser Team war ideal zusammengesetzt», sagt Natalie Wenger, eine der fünf Studierenden: «Jede Person brachte spezifische Fähigkeiten in die Gruppe ein – etwa bezüglich Interviewtechniken, Datenauswertung oder Projektmanagement.»
Die Studierenden werteten Daten zu Menschenrechtsverletzungen aus, die Amnesty International und andere Nichtregierungsorganisationen gesammelt hatten. Die Daten mussten sie zuerst aufwändig bereinigen und verifizieren. Zudem führten die Studierenden Skype-Interviews mit Fachpersonen in Kenia. Es war inhaltlich schwere Kost: Die 323 Dateneinträge umfassten unter anderem willkürliche Verhaftungen, Folter und Mord.
Nach zwei Semestern intensiver Arbeit konnten die Studierenden zeigen, dass die Polizeibehörden in Kenia sehr viel Macht besitzen und Menschenrechtsverletzungen oft unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung begehen. Opfer davon werden insbesondere junge Muslime. Zufall, sagt dazu jeweils die Regierung. Kein Zufall, ergab die Analyse der Studierenden.
Für Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen in Kenia ist die Studie sehr wertvoll, da sie bisher keine statistischen Auswertungen vorgenommen hatten. Es fehlte der Organisation unter anderem am entsprechenden Wissen. Jetzt will sie die UZH-Studie für weitere Statistiken zu Menschenrechtsverletzungen nutzen. Zeugen und Opfer von Gewalttaten sollen sich künftig auch anonym auf einer Online-Plattform melden können – wo auch die Resultate der Studie publiziert werden sollen.
«Wir waren alle mit Herzblut bei der Arbeit und wollten eine gute Studie abliefern», sagt Natalie Wenger rückblickend. Der Kurs habe ihr und den anderen beteiligten Studierenden erlaubt, zusätzliche Qualifikationen zu erwerben – von der Datenanalyse bis zur Erstellung einer Website zur Publikation der Resultate. «Vor allem aber konnten wir Forschung betreiben, die sinnvoll ist und einen konkreten Nutzen hat», sagt Wenger.
«Die Idee von «Capstone» ist auch, dass Studierende bei potenziellen Arbeitgebern auf sich aufmerksam machen können. Die Kurse dienen dem Brückenschlag vom Studium zur beruflichen Praxis», sagt Fabrizio Gilardi, Direktor des Instituts für Politikwissenschaft. Dazu passend ist auch der Name: Der «capstone» bezeichnet im Bauwesen den Schlussstein am höchsten Punkt eines Bogens.
Vier Capstone-Kurse sind am IPZ bereits abgeschlossen worden, zwei laufen derzeit. «Das Feedback der Studierenden ist sehr positiv», sagt Gilardi. «Mehrere Studierende habe uns berichtet, der Kurs habe ihrer weiteren Karriere geholfen», so Gilardi. Viele schätzten auch, dass zusätzlich eine Veranstaltung zu den Themen Projektmanagement und Storytelling angeboten wird.
Auch seitens der Auftraggeber sind die Rückmeldungen positiv und die Anfragen nehmen zu. In Zukunft will das IPZ vermehrt bei seinen Alumni nach Themen fragen. «Unsere Ehemaligen sind oft in spannenden Positionen tätig», sagt Gilardi. Klar ist für ihn: «Capstone-Kurse haben sich bewährt und sind ein fester Bestandteil des Masterstudiums geworden. In Zukunft wollen wir noch mehr solche Kurse anbieten.»
Auch für Natalie Wenger und die anderen Teammitglieder war der Kurs eine Bereicherung und hat Spuren hinterlassen. Zwei der fünf Studierenden widmen jetzt ihre Masterarbeit den Themen Menschenrechte, Terrorismus und Afrika – und zwei der Studierenden sind inzwischen als Hilfsassistenten an der UZH tätig.