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Gleich zu Beginn der Ausstellung können sich Besuchende mit der kontroversen Geschichte ethnologischer Museen auseinandersetzen. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es «Völkerschauen» – etwa das «Negerdorf» in Altstetten bei Zürich, welches in seiner nachgestellten «natürlichen Umgebung» besucht werden konnte. Ein Schaukasten dokumentiert den voyeuristischen Blick auf Menschen aus den Kolonialgebieten. Ethnologische Museen wurden in den letzten Jahren vermehrt kritisiert, andere Gesellschaften zur Schau zu stellen, ohne die Menschen und ihr Wissen einzubeziehen. Sie stehen zunehmend unter dem Druck der Öffentlichkeit, ihre Geschichte aufzuarbeiten und in Zukunft mit externen Interessengruppen zusammenzuarbeiten.
Internationale Kooperation erweist sich deshalb als wegweisender Ansatz für die Museumsarbeit. Vor drei Jahren haben sich das Uganda National Museum in Kampala, das Igongo Cultural Centre in Mbarara und das Völkerkundemuseum der Universität Zürich entschieden, längerfristig zusammenzuarbeiten. Im Unterschied zu manchen anderen Kooperationsprojekten ist weder die finanzielle Unterstützung noch eine einseitige Nord-Süd-Beratungstätigkeit im Zentrum. Es geht vielmehr um das Interesse der Partner, gemeinsam zu forschen und zu kuratieren. «Die Vorteile einer solchen Kooperation liegen auf der Hand. Von anderer Warte betrachtet, erschliesst sich Zusätzliches – oder Gleiches anders», erklärt Ausstellungskurator Thomas Laely. Aus dieser Kooperation sind bisher zwei Ausstellungen in Uganda hervorgegangen. Auch die Ausstellung «Sichtweisen – Visionen einer Museumspartnerschaft» in Zürich wurde in Zusammenarbeit mit ugandischen Kuratoren erarbeitet. Sie dokumentiert und reflektiert die wegweisende gemeinsame Museumsarbeit.
Die Kuratorinnen und Kuratoren aus Uganda und der Schweiz erstellten zusammen ihre Ausstellungskonzepte, recherchierten gemeinsam und tauschten sich fortlaufend aus. Leitprinzip war dabei eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Doch eine Kooperation über kulturelle und geographische Grenzen hinweg bringt auch Herausforderungen, zumal jedes Museum in je eigene politische, wirtschaftliche, infrastrukturelle und kulturelle Verhältnisse eingebunden ist. In der Zusammenarbeit muss folglich mit den unterschiedlichen Sichtweisen umgegangen werden. «Die Chance dabei ist, dass dadurch ein komplexeres Bild der Realität gezeichnet werden kann und neue Erkenntnisse über Objekte, aber auch Museumspraktiken entstehen», fasst Thomas Laely, Vizedirektor des Völkerkundemuseums, zusammen.
Die Ausstellung thematisiert an verschiedenen Stationen die Aushandlungsprozesse, den Wissensaustausch und Umgang mit Mehrstimmigkeit und Multiperspektivität, die Mediennutzung und Kommunikationskultur. Besucher können Skype-Gespräche und die Kommunikation mittels WhatsApp mitverfolgen. Darüber hinaus dokumentieren Videoaufnahmen das Partnerschaftsprojekt aus einer unabhängigen Aussenperspektive.
Mittels Touchbildschirmen können Interessierte auch virtuell in die ugandischen Museen eintauchen. Die beiden Ausstellungen «Drink deeply – Milk Exhibition» (in Kampala), und «The Power of Milk» (in Mbarara), widmen sich schweizerischen und ugandischen Milchkulturen und wurden im September 2017 mit grossem Erfolg eröffnet. Tausende von Schulkindern und interessierten Erwachsenen setzten sich seither nicht nur mit dem reichen Milch-Kulturerbe der beiden Länder auseinander, sondern auch mit den Chancen und Herausforderungen aktueller technologischer, global-wirtschaftlicher und ökologischer Entwicklungen.
Das Kooperationsprojekt endet nicht mit der Ausstellung in Zürich. Neben einem im Juni erscheinenden Sammelband ist ein mobiles Museum in Uganda geplant, das die Inhalte der «Milchausstellungen» auch den Menschen in ländlichen Gebieten zugänglich macht. Den ugandischen Kuratoren ist es ein Anliegen, dass die mobile Ausstellung an die je unterschiedlichen Probleme und Bedürfnisse der verschiedenen Landesregionen angepasst wird. Sie soll den Viehbauern eine Plattform zum Austausch geben und nützliches Wissen zur Verfügung stellen.
Auch für das Völkerkundemuseum in Zürich ist mit der neuen Ausstellung die Zusammenarbeit keineswegs abgeschlossen. Die Kooperation mit Partnermuseen, insbesondere mit solchen in den Herkunftsregionen der Sammlungen, ist für die ethnologische Museumsarbeit vielmehr eine zentrale, kontinuierliche Aufgabe.