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Mittelbau

«Verstimmungen frühzeitig ansprechen»

Die Mittelbau-Vereinigung VAUZ hat eine Umfrage zur Arbeitszufriedenheit und zum Betreuungsverhältnis von Doktorierenden und Postdocs an der UZH durchgeführt. Prorektorin Gabriele Siegert nimmt zu den Ergebnissen Stellung.
Interview: David Werner

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Siegert
«Wir sind immer im Gespräch mit der Mittelbau-Vertretung VAUZ», sagt Prorektorin Gabriele Siegert. (Bild: Frank Brüderli)

 

Frau Siegert, begrüssen Sie es, dass die VAUZ diese Umfrage durchgeführt hat?

Gabriele Siegert: Es ist immer gut, eine empirisch fundierte Situationsanalyse zu haben, insofern begrüsse ich, dass die VAUZ diese Umfrage durchgeführt hat. Bei Befragungen kommt es aber auch immer auf die Interpretation der Ergebnisse an. Hier habe ich eine leicht andere Perspektive als die VAUZ.

69 Prozent der Befragten sind laut der Umfrage zufrieden mit ihrer Arbeit und ihrer Betreuung, 15,6 Prozent gaben an, unzufrieden zu sein. Ist dieses Umfrageergebnis für Sie ein Grund zur Freude oder zur Besorgnis?

Siegert: Über zwei Drittel der Teilnehmenden sind mit der Arbeitssituation zufrieden oder sehr zufrieden. Darüber freuen wir uns! Aber ist das ein hoher, sehr hoher oder eher tiefer Wert? Eine absolute Messlatte, um das zu bestimmen, gibt es nicht. Hier könnte nur ein Vergleich zwischen Hochschulen oder mit anderen Organisationen Hinweise geben. Diesen Vergleich haben wir nicht. Zudem ist Arbeitszufriedenheit ein mehrdimensionales Konstrukt. Eigene Erwartungen und Ansprüche werden mit dem, was man täglich an Erfahrungen macht, abgeglichen. Dennoch schauen wir in der Universitätsleitung natürlich auf die 15,6 Prozent, die nicht oder gar nicht zufrieden sind, und sehen hier Verbesserungspotenzial.

Viele Mittelbau-Angehörige wissen nicht, wohin sie sich im Falle eines Konfliktes wenden können. Kann man hier Abhilfe schaffen?

Siegert: Natürlich muss man hier Abhilfe schaffen, keine Frage. Die UZH war und ist hier aber nicht untätig. Wir haben beim Mittelbau eine komplexe Sachlage: Die klassische Arbeitssituation der Assistenz  und die Qualifikationssituation des Doktorats sind oft eng miteinander verwoben. Vor allem für die Qualifikationssituation finden sich auf der UZH-Website via Graduate Campus umfassende Informationen zum Beratungsangebot und auch spezifische Hinweise, wohin man sich wenden kann, wenn Probleme beim Promovieren und der wissenschaftlichen Weiterqualifikation auftreten. Beispielsweise wird auf fakultäre Vertrauenspersonen verwiesen. Immer offen steht in Konfliktfällen der Weg über die Hierarchiestufen, von der Institutsleitung über das Studiendekanat, das Dekanat, die Prorektorate bis hin zum Rektor. Wir planen zudem eine Beratungs- und Schlichtungsstelle für Mitarbeitende, die bei Konflikten in der Arbeitssituation zum Tragen kommt.

Laut Umfrage wünschen sich 55 Prozent der Doktorierenden und Postdocs klarere Regelungen hinsichtlich der Zeit, die sie für ihr eigenes Forschungsprojekt verwenden können. Ist dieser Wunsch Ihrer Meinung nach gerechtfertigt?

Siegert: In jedem Fall, ich kann das gut verstehen. Jedes Arbeitsverhältnis bedarf einer klaren Regelung. Eine wesentliche Orientierung ist hier das Rahmenpflichtenheft für Qualifikationsstellen. Zu Recht weist also die VAUZ auf ihrer Homepage auf dieses Rahmenpflichtenheft und entsprechende fakultäre Regelungen hin. Ganz klar heisst es dort in Paragraf 4, dass für jede auf einer Qualifikationsstelle beschäftigte Person ein individuelles Pflichtenheft unterzeichnet werden muss. Und in Paragraf 6 wird das Vorgehen bei Uneinigkeit erläutert. Auch ist dort geregelt, wie viel Arbeitszeit in die Lehrtätigkeit investiert werden darf und wie viel für die eigene Forschung zur Verfügung stehen muss. In den fakultären Rahmenpflichtenheften wird das fallweise noch konkretisiert. Die rechtlichen Vorgaben sind also vorhanden.

25 Prozent der Befragten sind der Meinung, die jeweilige Betreuungsperson missbrauche ihre Position zumindest teilweise. Sie fühlen sich zum Beispiel ungerecht behandelt, nicht ernst genommen oder unterbezahlt. Leiten Sie aus diesem Ergebnisses einen Handlungsbedarf für die UZH ab?

Siegert: Im genannten Rahmenpflichtenheft für Qualifikationsstellen sind jährliche Laufbahngespräche vorgegeben. Wir gehen davon aus, dass diese auch überwiegend durchgeführt werden. In diesen Gesprächen sollten allfällige Konfliktthemen unbedingt behandelt werden. Aber es ist auch klar, dass Betreuungsverhältnisse hierarchisch sind; zudem sind Arbeits- und Qualifikationssituation eng miteinander verwoben – was es für Doktorierende oder Assistierende nicht leichter macht, die eigenen Rechte durchzusetzen. Ich kann den Mittelbau dennoch nur auffordern, solche Gespräche anzuregen und auch zu fordern und im Gespräch die schwierigen Themen auf einer sachlichen Ebene anzugehen. Verstimmungen sollte man frühzeitig ansprechen. Den durchschnittlich 5,4 Prozent der Doktorierenden, die sich laut Umfrage davor fürchten, rate ich, sich im Austausch mit Peers erste Hilfestellungen zu holen. Wenn es aber zu Machtmissbrauch kommt, dann muss das untersucht werden. Dazu müssen vorgesetzte Stellen aber informiert werden. Es führt also kein Weg daran vorbei, dass sich Betroffene an die nächst höheren Stellen oder an Vertrauenspersonen wenden.

Rund die Hälfte der Befragten ist der Meinung, genug Feedback von ihrer Betreuungsperson zu erhalten, ein Drittel wünscht sich dagegen häufigere Feedbacks. Ist die Zeit, die Professorinnen und Professoren für ihre Betreuungsaufgaben zur Verfügung steht, zu knapp bemessen?

Siegert: Auch hier beeinflussen eigene Erwartungen und Ansprüche die Wahrnehmung. Zudem ist das auch abhängig von der Disziplin. Es gibt hier keine absolute Richtlinie. Wichtig ist eine gute Balance zwischen Unterstützung und Freiheit. Die gegenseitigen Erwartungen und der Turnus der Feedbacks sollten unbedingt im Voraus abgesprochen und festgelegt werden. Genau dazu sind die Doktoratsvereinbarungen gedacht. Es wundert mich, dass dieses Instrument gemäss Umfrage als nicht hilfreich empfunden wird. Was mich weniger erstaunt ist der Befund, dass die Professorinnen und Professoren über beschränkte Zeitressourcen für ihre Betreuungsaufgaben verfügen. Ihr Tätigkeitsportfolio ist vielfältig und umfassend, und die Betreuungsaufgaben sind nur ein Teil davon. Auch deshalb ist wechselseitiges Erwartungsmanagement so grundlegend. Tauchen Probleme auf, gerät also zum Beispiel das Dissertationsprojekt in eine Krise, sollte die Betreuung über das vereinbarte Mass hinaus intensiviert werden.

 

Mittelbau-Angehörige leisten einen wichtigen Beitrag zur Lehre und zur Forschung an der UZH. (Bild: iStock.com)

 

Die VAUZ leitet aus den Umfrageergebnissen verschiedene Vorschläge ab. Zum Beispiel plädiert sie dafür, die Abhängigkeit der Doktorierenden von einzelnen Betreuungspersonen zu verringern. Doktorierende sollen nicht mehr an Lehrstühlen, sondern an Graduiertenschulen oder direkt an Instituten angestellt werden. Ist das ein guter Vorschlag?

Siegert: Hat das Institut eine gewisse Grösse, könnten dadurch Abhängigkeiten verringert werden. Anderseits würden die Anstellungsverhältnisse dadurch stark formalisiert und damit unpersönlicher, weshalb ich mir nicht sicher bin, ob die 69 Prozent der Befragten, die mit ihrem Arbeitsverhältnis zufrieden sind, diesen Vorschlag unterstützen würden.

Eine weitere Empfehlung der VAUZ besteht darin, vermehrt Führungs- und Didaktikkurse für Betreuungspersonen anzubieten. Was halten Sie davon?

Siegert: Die UZH ist hier bereits aktiv und baut die vorhandene interne und hochschuldidaktische Weiterbildung aus. Die Erweiterte Universitätsleitung wird sich demnächst auch mit den überarbeiteten Führungsgrundsätzen befassen. Diese werden dann entsprechend kommuniziert.

Ist die Universitätsleitung hinsichtlich der genannten Vorschläge im Gespräch mit den Mittelbau-Vertreterinnen und Vertretern?

Siegert: Wir sind immer im Gespräch mit der VAUZ. Einiges von dem, was gefordert wird, besteht ja schon oder wird gerade ausgebaut. Der Vorschlag, unbefristete Stellen aufzubauen, leuchtet mir allerdings nicht ein, denn von solchen Stellen würde nur gerade eine Jahrgangskohorte profitieren. Wichtig ist hingegen, dass wir an der UZH dem Machtmissbrauch keine Chance geben. Wir müssen das schaffen, ohne dabei zu einer «Kontroll-Universität» zu werden. Wir haben in der Vergangenheit vieles bewerkstelligt auf der Basis gegenseitigen Vertrauens. Das sollte uns auch weiterhin gelingen.

Doktorierende und Postdocs haben ihre Stimme per Umfrage nun in die Diskussion eingebracht. Können die Professorinnen und Professoren ihre Sicht auch einbringen?

Siegert: Ja das wäre mal eine Idee! Es wird demnächst Umfragen geben, die Daten zur Situation des Mittelbaus im Vergleich zu Partneruniversitäten der UZH erheben. Eine Befragung der Professorinnen und Professoren haben wir aktuell nicht geplant, aber darüber sollten wir einmal diskutieren.