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Auf welche Schule soll ich mein Kind schicken? Ist es sinnvoll, die Belegschaft der Firma um weitere Fachkräfte zu reduzieren? Sollen die Soldaten heute Nacht angreifen oder bis morgen warten? – Eltern, Firmenchefs, Generäle, aber auch Lehrer und Staatsoberhäupter haben eines gemeinsam: Sie müssen Entscheidungen treffen, die nicht nur sie selbst, sondern auch das Wohlergehen anderer beeinflussen. Die Konsequenzen tragen manchmal Einzelpersonen, manchmal aber auch Organisationen oder ganze Nationen.
Forschende der Universität Zürich haben untersucht, was Menschen mit ausgeprägten Führungsfähigkeiten auszeichnet. In der Studie, die soeben im Magazin «Science» veröffentlicht wurde, identifizieren und charakterisieren sie Verantwortungsabneigung («Responsability Aversion») als Schlüsselfaktor, der Menschen, die sich lieber führen lassen, von Führungspersönlichkeiten unterscheidet. Verantwortungsabneigung ist der Widerwille, Entscheidungen zu treffen, die auch andere tangieren.
Die Studie umfasste eine Reihe von Experimenten, in denen Gruppenleiter eine Entscheidung entweder selbst fällen oder an die Gruppe delegieren konnten. Unterschieden wurde «Selbstversuche», in denen sich die Entscheidung nur auf den Entscheidungsträger selbst auswirkte, und «Gruppenversuche», bei denen die Konsequenzen die ganze Gruppe betrafen. Die neurobiologischen Vorgänge während der Entscheidungsprozesse untersuchten die Wissenschaftler mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT).
In den Experimenten testeten die Forscher verbreitete Intuitionen, etwa die Vorstellung, dass risikofreudige Menschen, Personen mit wenig Verlustängsten oder Menschen mit einem grossen Kontrollbedürfnis eher bereit sind, Verantwortung für andere zu übernehmen. Diese Charaktereigenschaften boten jedoch keine Erklärung für die bei den Versuchsteilnehmern unterschiedlich stark ausgeprägte Verantwortungsabneigung. Ausschlaggebend dafür, so zeigte sich, ist ein anderer Einflussfaktor: Hatte eine Entscheidung auch Auswirkungen auf andere Personen, benötigten die Entscheidungsträger eine grössere Gewissheit über das bestmögliche Vorgehen. Diese Verschiebung beim Sicherheitsbedürfnis war besonders stark bei Personen mit einer ausgeprägten Abneigung, Verantwortung zu übernehmen.
«Unser Ansatz betont, dass sich der Grad der Gewissheit, der für eine Entscheidung notwendig ist, verändert», sagt Erstautor Micah Edelson. «Dadurch kann er auf verschiedene Arten von Führungspersonen angewandt werden: auf autoritäre Leader, welche die meisten Entscheidungen selbst treffen, ebenso wie auf egalitäre Führungspersonen, die oft einen Gruppenkonsens suchen.»
Micah G. Edelson, Rafael Polania, Christian C. Ruff, Ernst Fehr und Todd A. Hare. Computational and neurobiological foundations of leadership decisions. Science: August 2, 2018. DOI: 10.1126/science.aat0036