Navigation auf uzh.ch
Geht man nach seinem CV, müsste José Parra Moyano älter sein als 27 Jahre: Fern von der Heimat studiert, als Wirtschaftsberater gearbeitet, ein Startup gegründet, mehrere wissenschaftliche Papers veröffentlicht, zwei Marathons gerannt, verheiratet. Der junge Spanier, der an der UZH am Institut für Quantitative Business Administration unter Professor Karl Schmedders doktoriert, wurde eben von der deutschsprachigen Ausgabe von «Forbes» in die Liste der «30 under 30» aufgenommen. Das renommierte Wirtschaftsmagazin zeichnet damit Talente aus allen möglichen Bereichen aus, die «mit ihrem Tun die Welt verändern».
«Sensationell» ist das Wort, das Parra Moyano dazu einfällt. Er sieht die Auszeichnung als «Anerkennung für die tägliche Arbeit, die man als Forscher oft fernab der öffentlichen Aufmerksamkeit leistet.» An der UZH doktoriert Parra Moyano seit zwei Jahren zum Thema «Blockchain Mechanism Design». Er untersucht, wie die viel versprechende Zukunftstechnologie in der Praxis angewandt werden kann. So entwickelt er in Zusammenarbeit mit Firmen Prozesse, die durch die Blockchain-Technologie schneller, besser oder sicherer gemacht werden können.
Ein Beispiel: Wollen Firmenkunden ein Bankkonto eröffnen, müssen sie sich einer eingehenden Überprüfung stellen. Sie müssen nachweisen, was die Tätigkeit der Firma ist, ob sie im Ausland tätig ist, woher das Geld kommt, und so weiter. Dieser Prozess muss bei jeder Bank wiederholt werden, mit der die Firma Geschäfte macht. Arbeitet eine Firma mit fünf Banken zusammen, muss sie sich also fünfmal überprüfen lassen. Für die Firmen entsteht also viel Aufwand, für die Banken beträchtliche Kosten. Diese lassen sich aber mit konventionellen Methoden nicht verhindern – schliesslich haben die Banken kein Interesse daran, untereinander sensible Informationen auszutauschen und der Konkurrenz damit die Überprüfungs-Kosten zu ersparen.
Parra Moyano hat nun in zwei Papers einen Prozess entwickelt, wie diese hohen Systemkosten mit Hilfe der neuen Technologie verhindert werden könnten: Die Daten der ersten Überprüfung werden in einer Blockchain gespeichert. Das heisst, dass das Unternehmen nach erstmaliger Überprüfung bei allen weiteren Banken ein Konto eröffnen kann, ohne sich erneut überprüfen zu lassen. «Das Wichtigste ist es, ein Anreizsystem zu schaffen, bei dem alle profitieren», sagt Parra Moyano. Aus diesem Grund ist auch ein Kompensationssystem Teil des Blockchain-Prozesses: Dank diesem wird die Erstbank, welche die Kosten der Überprüfung trägt, von allen weiteren für ihre Aufwände entschädigt.
Um Blockchains wird derzeit ein grosser Hype gemacht. Da sind nüchterne und sachliche Analysen, wie sie Parra Moyano mit seinen Papers aufzeigt, besonders hilfreich. «Jeder weiss, dass die Technologie kommen wird. Doch noch experimentieren wir damit und wissen noch nicht, wo sie sinnvoll angewandt werden kann», sagt Parra Moyano.
Er vergleicht die Situation mit jener aus den 1960er-Jahren, als die Laser-Technologie erfunden wurde. Damals dauerte es 30 Jahre, bis sinnvolle Anwendungsfelder gefunden wurden – allen voran der Laserdruck. «Blockchain ist eine tolle Lösung auf der Suche nach einem Problem», wie Parra Moyano ein Bonmot aus der Branche zitiert. Mit seiner Forschung trägt er dazu bei, dass die Blockchain-Technologie – wie einst der Laser – dereinst ihr Problem findet, das sie lösen kann.
Dass es Parra Moyano, der an der Swiss School in Madrid Deutsch lernte und Anfang 2009 fürs VWL-Studium an der UZH in die Schweiz kam, auf die Forbes-Liste schaffte, liegt auch daran, dass er parallel zu seinem PhD das Startup Lionstep gegründet hat. Das vielversprechende Jungunternehmen entwickelt Algorithmen zur Personalrekrutierung. Derzeit ist Parra Moyano aber nur im Hintergrund des Startups tätig und konzentriert sich ganz auf seine Arbeit an der UZH. Im Herbstsemester ist er jeweils auch in der Lehre tätig.
Ob er der akademischen Forschung auch über sein Doktorat hinaus erhalten bleibt, welches noch ein bis zwei Jahre dauert, weiss Parra Moyano noch nicht. Auch ob er längerfristig in Zürich bleiben wird, ist noch offen. Parra Moyano hat sich vorgenommen, sich solchen Fragen nächstens zu stellen. Allerdings: «Ich arbeite in einer Branche, die sich sehr schnell entwickelt. Ich muss mich mit der Situation mitentwickeln.»