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Roboter jeglicher Art werden unseren Alltag in Zukunft immer mehr prägen. Robert Riener, Professor für sensomotorische Systeme an der UZH und der ETH Zürich, entwickelt komplexe intelligente Maschinen, die Menschen mit Behinderungen helfen können.
Die Therapie von Patientinnen und Patienten mit Lähmungserscheinungen, wie sie beispielweise nach einem Schlaganfall oder einem Schädel-Hirn-Trauma auftreten, ist für das physiotherapeutische Personal sehr kraft- und zeitaufwendig. Die Patienten müssen gestützt und geführt werden, um das Gehen und Greifen neu zu erlernen. Dabei ist vor allem die stetige Wiederholung der Übungen erfolgsversprechend.
Riener vergleicht die Rehabilitationstherapie nach einem Schlaganfall mit der motorischen Entwicklung eines Kleinkindes. Das Laufenlernen ist ein komplexer Prozess, und durchschnittlich machen Kleinkinder dabei fast eine halbe Million Schritte pro Monat. Bis sie sicher gehen und rennen können, vergeht ein Jahr oder mehr. Den gleichen Prozess müssten Patienten nach einem Schlaganfall nochmals durchlaufen, um ihre Motilität zurückzugewinnen.
In der Praxis ist eine entsprechende Unterstützung durch physiotherapeutisches Personal aufgrund des hohen Betreuungsaufwandes teuer und daher nur schwer umsetzbar. Patienten sind bis zu 90 Prozent der Zeit inaktiv, was nicht nur die Wiedererlangung der Motilität erschwert, sondern auch viele Komplikationen wie den Abbau der Muskulatur zur Folge hat.
Virtueller Übungsparcours
Hochtechnologische Maschinen könnten den Patientinnen und Patienten zu vermehrter Aktivität verhelfen, und genau dafür hat Riener gemeinsam mit dem Paraplegikerzentrum der Universitätsklinik Balgrist und mit Unterstützung der Industrie verschiedene Roboter für die Arm- und Lauftherapie entwickelt. Betroffene absolvieren dafür – auf einem Laufband vor einem grossen Bildschirm positioniert und mit einem Exoskelett ausgerüstet – verschiedene Übungen.
Das Exoskelett, ein am Körper getragenen Roboter, unterstützt und verstärkt dabei – wenn nötig mittels Motoren – die Bewegungen des Patienten. Der auf dem Bildschirm erscheinende virtuelle Übungsparcours ist intuitiv gestaltet und wirkt somit motivierend auf die Trainierenden. Die Besonderheit des Laufroboters besteht darin, dass sich dieser dem Können und der Kraft der Patienten automatisch anpassen kann. So können längere und gezieltere Trainingseinheiten absolviert werden, die den Muskelaufbau fördern sollen.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt ein weiterer von Riener entwickelter Reha-Roboter. Der Roboter «ARMin» trainiert die Arm- und Handbewegung von Gelähmten. Der beeinträchtigte Arm ist dabei in einen beweglichen Roboterarm eingeschnallt und folgt den durch den Roboter vorgegebenen Bewegungen. Damit können virtuell vor dem Bildschirm auch Alltagssituationen wie das Einschenken eines Getränks oder das Kuchenschneiden geübt werden. Das physiotherapeutische Personal unterstützt den Patienten zusätzlich mit Anweisungen oder mit der Vorführung von Bewegungen an einem zweiten Roboter.
Sowohl Forschungslabors als auch Firmen sind bemüht, Rehabilitations- und Assistenzgeräte zu entwickeln, die Betroffenen den Alltag erleichtern. Die Ansätze sind zwar vielversprechend, doch viele Geräte sind noch teuer und umständlich zu bedienen. Mit dem Ziel, die besten Technologien vergleichen zu können und letztendlich alltagstauglicher zu machen, hat Robert Riener vergangenes Jahr den Cybathlon ins Leben gerufen.
Teams aus der ganzen Welt trafen sich in der Swiss-Arena in Kloten, um beispielsweise die Geschicklichkeit der Maschinen und deren Piloten beim Greifen von verschiedenen Objekten oder beim Überwinden von Hindernissen zu messen. Bei den Aufgaben handelte es sich zum grossen Teil um alltagsrelevante Herausforderungen. Vor ausverkauften Rängen und unter grossem Jubel stellten die «Mensch-Maschinen» unter Beweis, welche Erfolge sich mittels der eigenen Anstrengung und Nutzung intelligenter Assistenzsysteme erzielen lassen.
Riener schloss seinen Vortrag mit einem Blick in die Zukunft und scheute nicht den kritischen Blick auf die sich ändernde Arbeitswelt. Die Sorge, dass die zunehmende Automatisierung durch Roboter zu einer Reduktion der Beschäftigung im Gesundheitswesen führt, teilt Riener allerdings nicht. Im Fall von Reha-Robotern sei laut Riener auch in Zukunft stets qualifiziertes Gesundheitspersonal nötig, um den optimalen Behandlungserfolg zu erzielen und das Training anzuleiten. «Das Fachwissen, die Erfahrung und die Feinfühligkeit von Therapeuten kann von keinem Roboter ersetzt werden», so Riener.
Im Allgemeinen sieht er statt einer Reduktion von Arbeitsplätzen eher eine Verschiebung der Tätigkeitsfelder, zugunsten von technischen, computer-basierten und kreativen Berufen. Dies nicht nur für die Entwicklung und Herstellung der Maschinen, sondern auch für deren Unterhalt. Für die Zukunft seiner eigenen Arbeit freut sich Riener auf neue Herausforderungen und die Ausrichtung des nächsten Cybathlon im Mai 2020.