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Die Fächervielfalt sei eine grosse Stärke der UZH, sagen Klaus Jonas und Roland Sigel aus ihrer je eigenen Perspektive. Die beiden Forscher treten am 1. August ihr neues Amt als Dekan an – Sozialpsychologe Jonas ersetzt an der Philosophischen Fakultät den Anglisten Andreas Jucker, Chemiker Sigel an der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät den Geografen Michael Schaepman. Somit erhalten die zwei grössten Fakultäten der UZH in diesem Sommer eine neue Leitung.
Klaus Jonas schätzt die breite Palette an geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern, die die UZH bietet. Das sei ein grosser kultureller Reichtum, sagt der 60-jährige Sozialpsychologe. Die Sozial- und Geisteswissenschaften erfüllten eine wichtige gesellschaftliche Funktion, etwa wenn es darum geht, aktuelles Geschehen zu erklären. «Ereignisse wie die Wahl von Donald Trump, der Brexit oder die Gewaltausbrüche am G20-Gipfel in Hamburg sind für viele Menschen verwirrend», sagt Jonas, «unsere Fächer können Erklärungen dafür liefern.» Das befriedige ein menschliches Grundbedürfnis: «Wir wollen unserer Umwelt nicht ausgeliefert sein, sondern sie verstehen können», sagt er.
Auch in der Analyse, wie sich die Digitalisierung auf die Gesellschaft auswirkt, könnten die Sozial- und Geisteswissenschaften einen wichtigen Beitrag leisten. «Das wird eine grosse Stunde der Sozial- und Geisteswissenschaft sein», sagt Jonas. Noch würde deren gesellschaftlicher Beitrag in Politik und Öffentlichkeit aber zu wenig wahrgenommen, ist er überzeugt. Jonas möchte als Dekan die Philosophische Fakultät (PhF) deshalb sichtbarer machen, etwa indem die bereits bestehenden Ringvorlesungen, an denen sich unterschiedliche Disziplinen beteiligen, ausgebaut werden.
Wichtig ist Klaus Jonas auch, dass die Bologna-Reform an der PhF gelingt. Es gehe darum, Studiengänge über die Fächergrenzen hinaus formal zu vereinheitlichen und damit die Studierbarkeit und die Rahmenbedingungen der Mobilität zu verbessern. Zentral sei auch, dass der Bachelor-Abschluss aufgewertet wird. «Studierende können danach gleich in die Praxis gehen und dort ein attraktives Leistungsportfolio vorweisen», sagt er. Weiter überarbeitet werden soll unter Jonas auch die Promotionsverordnung der PhF. Sie soll eine bessere Anbindung an die internationale Promotionskultur leisten und auch Experten aus dem Ausland besser einbinden.
Klaus Jonas ist seit 2003 Ordinarius für Sozialpsychologie, 2008-2012 leitete er das Psychologische Institut der UZH. Vor seinem Engagement an der UZH hatte er eine Professur an der Technischen Universität Chemnitz inne. Jonas hat an der Universität Bielefeld studiert und in Tübingen promoviert und sich mit einer Arbeit über «Verhaltensmodelle in der Gesundheitspsychologie» habilitiert.
In seiner Forschung beschäftigt er sich heute unter anderem mit Fragen der guten Führung von Teams in Wissenschaft und Wirtschaft. Auf dem Hintergrund dieser Forschung war er auch an der Entwicklung eines Certificate of Advanced Studies (CAS) für «Leadership und Governance an Hochschulen» beteiligt, das an der UZH angeboten wird.
Nun gebe ihm das Amt des Dekans die Möglichkeit, theoretische Konzepte der Führungsforschung einem Praxistest auszusetzen, sagt Klaus Jonas. Wichtig ist ihm ein liberaler Führungsstil, der zur Identitätsbildung beiträgt, die Leute mitnimmt und spürt, was sie wollen. Zentral sei auch, positiv besetzte Visionen zu formulieren. Seine Vision für die Philosophische Fakultät: «Wir bewahren die kulturelle Vielfalt, wir helfen der Gesellschaft Umbrüche besser zu verstehen, wir gehen nach aussen, sind transparent und offen gegenüber modernen Publikationsformen.»
Wenn Chemiker Roland Sigel die Fächervielfalt an der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät (MNF) lobt, dann hat er immer auch das Potenzial für die interdisziplinäre Lehre und Forschung im Auge, das damit verbunden ist. Sigels bisherige Forscherkarriere ist selbst ein Stück gelebte Interdisziplinarität. Der heute 45-Jährige studierte in Basel Chemie mit Biologie und Biochemie im Nebenfach. Danach machte er Life Science-orientierte Grundlagenforschung an der Universität Dortmund, wo er auch promovierte.
Als Postdoc beschäftigte sich Roland Sigel danach an der New Yorker Columbia University mit Biochemie und Strukturbiologie. 2003 kam er als SNF-Förderungsprofessor an die UZH, heute ist er Ordentlicher Professor für Chemie, insbesondere Bioanorganische Chemie. In Sigels Forschung geht es unter anderem darum, Faltungsstrukturen und Funktionen von grossen Ribonukleinsäuren in Zellen zu verstehen. Er macht dies zusammen mit einem interdisziplinären Team aus Chemikern, Biologen, Biochemikern und Physikern.
«Wenn wir Zellen und das Leben als Ganzes verstehen wollen, müssen alle Disziplinen zusammenspannen», sagt der angehende Dekan. Die Bedingungen an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät seien dafür ideal, denn auf dem Campus Irchel sei das geballte Know-how von unterschiedlichen naturwissenschaftlichen Disziplinen, aber auch von Mathematik und Medizin auf engem Raum vorhanden. Bereits heute werde hervorragend über die Disziplinengrenzen hinweg zusammengearbeitet. Kooperationen könnten künftig aber noch weiter ausgebaut werden, ist Sigel überzeugt.
«Wir denken noch viel zu sehr über unseren eigenen Garten nach und schauen zu wenig über den Zaun, wie Forschende aus anderen Fächer arbeiten», sagt Sigel. Diese Begrenzungen noch durchlässiger zu machen, sieht er als eine der Aufgaben und Herausforderungen als Dekan. Die Interdisziplinarität könne mit weiteren Schwerpunktprogrammen in der Forschung, aber auch durch gezielte Berufungen und Nachwuchsförderung beflügelt werden. Und: «Für die exzellente Forschung an der MNF brauchen wir auch künftig eine exzellente Infrastruktur», sagt der Chemiker.
Die Arbeit im Dekanat der MNF ist für Roland Sigel nicht neu, im letzten Jahr hat er bereits als Studiendekan gewirkt. Als solcher war er unter anderem mit den Herausforderungen konfrontiert, die etwa der neue interdisziplinäre Studiengang in Biomedizin mit sich brachte. Eine Herausforderung, die sich gelohnt hat, sagt er, denn das neue Angebot ist ein voller Erfolg und führte dazu, dass die Studierendenzahlen an der MNF weiter anstiegen.
Das Wachstum der zweitgrössten Fakultät an der UZH ist Zeichen ihres Erfolgs, gleichzeitig aber auch – in Zeiten des Sparens im Bildungsbereich – eine grosse Herausforderung. «Wir sind stolz auf das Erreichte, aber müssen uns im Spannungsfeld von abnehmenden Finanzen und gleichzeitigem starken Wachstum weiterhin positiv entwickeln», sagt Roland Sigel.
Die Fakultät müsse deshalb noch flexibler werden – mehr Flexibilität brauche es etwa im Umgang mit dem auf dem Campus Irchel knapp vorhandenen Raum für Lehre und Forschung. Ein erster wichtiger Schritt ist hier mit einer Stelle für Nutzungsmanagement am Irchel, die die MNF gemeinsam mit der Medizinischen Fakultät und der Vetsuisse Fakultät geschaffen hat, getan. Flexibilität sei aber auch bei den Finanzen gefordert, etwa um neue, erfolgsversprechende Forschungsgebiete zu ermöglichen. Dafür will sich Roland Sigel einsetzen.