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Greta Patzke brennt für viele Leidenschaften, aber für eine ganz besonders: die Chemie. Was manche Leute für eine trockene und abstrakte Materie halten, ist für die Forscherin anregende Naturwissenschaft, Inbegriff geheimnisvoller Natur und Voraussetzung des Lebens an sich. Nie fühlt sie sich wohler, wenn sie gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen experimentieren, erörtern, verwerfen oder planen kann.
«Die Chemie ist meine Mission», sagt die Professorin, die im Schnelldurchgang die akademische Stufenleiter erklommen hat und vor zehn Jahren im Alter von 33 Jahren eine Förderprofessur am Institut für anorganische Chemie der Universität Zürich erhielt.
Unterdessen ist sie ordentliche Professorin und international bekannte Expertin auf dem Gebiet der künstlichen Photosynthese. Mit ihrem 16-köpfigen Team sucht sie unter anderem nach effizienten Katalysatoren für die Spaltung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff, ein nachhaltiger Energieträger. Die Bildung des Sauerstoffs beschäftigt dabei ihre Gruppe besonders.
Ihr Interesse für die Chemie reicht weit in die Jugend zurück, erzählt Patzke in ihrem geräumigen Büro im Institut für Chemie auf dem Campus Irchel. Da war zum einen der Vater, der in seiner Freizeit im Heimlabor Abzüge entwickelte und die notwendigen Chemikalien auch selbst optimierte. «Er hat mich schon sehr früh manche Arbeitstechniken im Umgang mit Chemikalien gelehrt», sagt Patzke. Eine wichtige Rolle bei ihrer Wahl der Chemie spielte der Nobelpreis von Georg Bednorz und Alexander Müller 1987 vom IBM Forschungslabor in Rüschlikon, der für die Arbeiten über supraleitende Materialien vergeben wurde. Zwar wurde der Preis in der Sparte Physik verliehen, aber eigentlich ging es um physikalisch-chemische Materialeigenschaften.
Diese Kombination von Synthese und bahnbrechenden Anwendungen erweckte Patzkes Neugier für die Chemie, die sie schon zu Schulzeiten mit Freunden im Labor auslebte. Prägend war nicht zuletzt ihre Teilnahme an der Internationalen Chemieolympiade, die 1993 mit einer Goldmedaille gekrönt wurde.
Vom Vater hat Greta Patzke zusätzlich zum Handwerk aber noch eine weitere wichtige Lektion gelernt. Der talentierte Praktiker im Fotolabor bildete sich auch in der Kunsttheorie weiter, um seine Bilder zu perfektionieren, erzählt die Forscherin. Diese Dialektik zwischen Praxis und Theorie hat sie später zu einem Leitthema ihres Schaffens gemacht. «Chemie heisst einerseits, im Labor neue Dinge auszuprobieren und zu experimentieren», sagt Patzke. «Findet man neue und vielleicht auch überraschende Effekte, muss man sich danach theoretisch damit auseinandersetzen und nach Erklärungen und Anwendungen suchen.»
«In den Naturwissenschaften arbeitet man in allen Gebieten mit ähnlichen Methoden», sagt Greta Patzke. Aber nirgendwo könne sie selbst das Zusammenspiel zwischen Experiment und Theorie schöner ausleben als in ihrer Wissenschaft, findet die Chemikerin und formt mit den Händen die Struktur unsichtbarer Moleküle.
Obwohl ihr Herz für die Chemie schlägt, hat sie alles andere als einen Tunnelblick und schaut weit über den Tellerrand ihres Fachgebiets hinaus. Sie interessiert sich für die blanken Stellen, in denen noch etwas zu entdecken und zu erklären bleibt, sei es in ihrer Disziplin oder anderen. So faszinieren sie zum Beispiel Reptilien, diese «unterbewerteten und archaischen Tieren mit ihren überraschenden Verhaltensweisen».
Und es sind nicht nur die Naturwissenschaften, die Patzke umtreiben. Die Chemikerin ist sportlich aktiv und liebt die Literatur, nicht zuletzt wegen den andersartigen Sichtweisen auf unsere Welt. Und sie schreibt selbst gerne kurze Essays. In ihrem Büchergestell befindet sich ein ganzer Ordner gefüllt mit kurzen Betrachtungen zu Kultur und Natur, im Computer ein angefangenes Romanmanuskript. «Es geht um Chemie», sagt Patzke dazu und bedauert, dass sie dieses Projekt zurzeit wegen Zeitmangel zurückstellen muss.
Greta Patzke pflegt einen auffälligen Look – türkisfarbene Kajalstriche akzentuieren ihre blaugrauen Augen – und gibt unumwunden zu, dass sie sich für Mode und Design interessiert. «Ich trage Kleider, die mir in Form und Farbe gefallen», sagt sie. Das hat nicht zuletzt mit ihrer Lehrfunktion zu tun, denn in einer Vorlesung mit 400 Studierenden müsse sie sich wohl fühlen. Mode, Wissenschaft, Literatur: Man fragt, ob es denn einen Bereich gebe, der sie kalt lässt. «Ja», meint sie, «kochen interessiert mich gar nicht.»