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Dass Albert Hofmann in Basel LSD entdeckt hat, dürften wohl die meisten Leute wissen. Weniger bekannt ist, dass der Naturstoffchemiker in Zürich seine wissenschaftliche Karriere 1926 beim späteren Nobelpreisträger Paul Karrer begann. Nachdem Hofmann eine kaufmännische Lehre bei Brown-Boveri in Baden absolviert hatte, absolvierte das Wunderkind sein Studium und die Promotion an der UZH im Schnelldurchgang innerhalb von drei Jahren.
Schon als Doktorand begeisterte sich Hofmann für die Chemie von Naturstoffen, während seiner Dissertation beschäftigte er sich mit Enzymen, die Chitin abbauen. Die Faszination für Naturstoffe sollte Hofmann ein Leben lang begleiten und führte 1943 zur Entdeckung der psychoaktiven Wirkung von LSD-25 (Lysergsäurediethylamid). Die Säure stammt aus Mutterkornpilzen und Hofmann synthetisierte verschiedene Derivate dieses Stoffs mit dem Ziel, ein neues Kreislaufmedikament für die Firma Sandoz zu entwickeln. Resultat dieser Arbeiten war jedoch das stärkste Halluzinogen, das alle bekannten psychogenen Naturstoffe an Wirksamkeit um mehrere Grössenordnungen übertroffen hat.
«Albert Hofmann war ein grosser Wissenschaftler und seine Faszination für Naturstoffe ist für uns noch heute inspirierend», sagte Nathan Luedtke, Professor für Chemische Biologie an der UZH und Organisator der Hofmann Awards 2017. Der Gedenkanlass wurde 2008 anlässlich des Todesjahres von Hofmann an der UZH etabliert und erstmals durchgeführt. Der Award würdigt erfolgreiche Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die sich mit Naturstoffen beschäftigen, und zeichnet sie mit einer goldenen Hofmann-Medaille aus. An der diesjährigen Veranstaltung wurden zudem vier Doktoranden aufgrund ihrer «aussergewöhnlichen» Arbeiten prämiert.
Der diesjährige Preisträger Wilfred A. van der Donk steht mit seinen Arbeiten über eine spezielle Klasse von Proteinen, sogenannte zyklische Peptide, die aus Mikroorganismen isoliert werden, ganz in der Tradition Hofmanns. Van der Donk ist Professor für Biochemie und Howard Hughes Medical Investigator an der Universität von Ilinois in Urbana-Champaign (USA). In einem fulminanten Beitrag erläuterte er, wie das Verständnis der Synthese komplexer Naturstoffe in Mikroorganismen überraschende Einblicke in evolutionäre Vorgänge brachte.
Der in Holland geborene Preisträger arbeitet mit seinem Team an einer Gruppe zyklischer Peptide namens Lanthipeptide. Sie finden sich natürlicherweise in Mikroorganismen und sind aufgrund ihrer antibiotischen Wirkungen gegen Bakterien oder Viren interessant. Zum Beispiel wird das aus Lactobakterien isolierte Nisin seit Jahren zur Konservierung von Lebensmitteln verwendet.
Van der Donk interessiert sich allerdings weniger für die Anwendung dieser Stoffe als für ihre komplexe Biosynthese. Die grossen und komplexen Moleküle werden in den Zellen in einem mehrstufigen Prozess aus einem grösseren Vorläuferpeptid synthetisiert, das aus zwei Bereichen besteht, wobei der eine Bereich die Modifikation des zweiten steuert. Die von Ribosomen synthetisierten Peptide werden in weiteren Schritten modifiziert, weshalb sie auch als RiPP bezeichnet werden (Ribsomal posttranslational modifizierte Peptide).
«Diese Proteine und Prozesse sind viel interessanter als wir bisher gewusst haben», führte van der Donk anhand seiner Forschungsarbeiten aus. Denn es zeigte sich, dass manche Mikroorgansimen für die Synthese einen kombinatorischen Ansatz "erfunden" haben. Normalerweise wird eine chemische Transformation in biologischen Zellen durch hochspezifische Enzyme ausgeführt, die ein einziges Substrat verändern und umbauen. Man würde also erwarten, dass für die verschiedenen Syntheseschritte eines Lanthipeptids eine Gruppe spezifischer Enzyme zuständig ist. Untersuchungen mit Lanthipeptiden aus mikrobiellen Meeresorganismen wie Prochlorococcus zeigen nun, dass einzelne Enzyme verschiedene Substrate bearbeiten können.
«Derartige promiskuitive Enzyme, die verschiedene Substratpartner haben, sind ein absolutes Novum», sagte Wilfred van der Donk. Eine bahnbrechende Erkenntnis, die das gängige Enzymdogma über den Haufen wirft. Es ist bisher auch schwer erklärbar, wie sich solche Synthesewege evolutiv entwickeln konnten. «Wir tappen diesbezüglich im Dunkeln», sagte der Preisträger gleichzeitig ehrfürchtig und begeistert. Und zog damit eine feine Verbindung zu Albert Hofmann, der sich zeitlebends über die wundervollen und magischen Realitäten in der Natur begeistern konnte.
An der Hofmann-Gedenkveranstaltung kam aber nicht nur der gestandene Wissenschaftler aus den USA zu Ehren, sondern auch talentierte Doktorierende aus vier Schweizer Universitäten. Aus 25 Nominationen wählte die Jury folgende vier Nachwuchsforschende aus, die mit einem Goldvreneli von 1906, dem Geburtsjahr Albert Hofmanns, geehrt wurden:
- Andrés Garcia Dominguez, Universität Zürich, für seine Arbeiten über Nickel zur Katalyse von Reaktionen in Kohlenstoff-Verbindungen;
- Sarah Keller, Universität Basel, zu ihren Arbeiten über Kupferkomplexe für Licht emittierende Verbindungen;
- Eric Helfrich, ETH Zürich, für die Arbeiten zur Biosynthese natürlicher Verbindungen durch Polyketid-Enzyme;
- Cyril Piemontesi, ETH Lausanne, zu Arbeiten über Kaskade-Reaktionen bei der Synthese von Indolalkaloiden.
In kurzen Vorträgen erläuterten die jungen Talente ihre Arbeiten und machten die bedeutende Rolle der Erforschung natürlicher Prozesse in der Chemie deutlich. «Wir erleben eine Revolution bei der Suche nach neuen Naturstoffen», sagte Organisator Nathan Luedtke. Man könnte geradezu von einer Renaissance der chemischen Forschung an der Schnittstelle Biologie/Umwelt sprechen. Dank der immensen Fortschritte in der Genomforschung werden biochemische Vorgänge auf einer Ebene zugänglich, von der Albert Hofmann nur träumen konnte. Die Methoden ändern sich, die Faszination bleibt.