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Der Arbeitsraum von Mathilde Bouvel im Institut für Mathematik der UZH erinnert entfernt an eine klösterliche Eremitei. Ein kahler Raum, weisse Wände, grosse Fenster. Auf den Pulten stehen Computer – sonst nichts. Konzentriert blicken die Mathematikerin und ihre Kollegen auf die Bildschirme oder starren an die Decke. Ab und an kritzelt jemand in einen Notizblock. «Ein Blatt Papier und ein Bleistift genügen mir», sagt die Preisträgerin des diesjährigen Marie Heim-Vögtlin-Preises, der ihr am Donnerstag verliehen wird. Klare Gedanken, reine Logik, abstrakte Vorstellungen – in der Mathematik passiert alles im Kopf.
«Mein Forschungsthema sind Permutationen», sagt die aufgeweckte Französin und blickt mit grossen Augen durch die Brille. Wir sind unterdessen in der Cafeteria, um die Kollegen bei ihren mathematischen Überlegungen nicht zu stören. Permutationen? «Sie handeln von Anordnungen von Objekten in einer bestimmten Reihenfolge», sagt die Forscherin.
Ein einfaches Beispiel ist die Ordnung von drei Objekten, etwa verschiedenen Früchten. Eine Banane, ein Apfel und eine Birne können in sechs verschiedenen Abfolgen aufgereiht werden. Die Änderung einer Reihe zu einer anderen ist eine Permutation. Bouvel studiert Permutationen grosser Objektgruppen, die bestimmte Muster vermeiden. Da wirds für Laien schnell schwierig und komplex.
«Mein Fachgebiet ist abstrakt und sehr mathematisch», sagt die 34-jährige Mathilde Bouvel. Genau aus diesem Grund hat sie sich dafür entschieden. Ihre Begabungen für Zahlen und abstrakte Überlegungen haben sich schon in früher Kindheit gezeigt. «Noch bevor ich lesen konnte, verstand ich Musiknoten», erinnert sie sich.
Aufgewachsen in Nancy, brillierte sie an der Schule mit ihrem Rechentalent. Nach der Matura bewarb sie sich für die Aufnahme an der ENS (Ecole Normale Supérieure) in Cachan bei Paris und absolvierte die Aufnahmeprüfung in Computerwissenschaften.
«Während dem Studium beschäftigte ich mich erstmals mit Kombinatorik und Permutationen», erzählt die Forscherin. Und entdeckte ihre Neigung für dieses Gebiet, das unter anderem in den Datenwissenschaften topaktuell ist. Zum Beispiel zur Verschlüsselung oder bei der Mustererkennung grosser Datensätze. Mit Elan vertiefte sie ihre Kenntnisse mit einer Doktorarbeit über kombinatorische Probleme bestimmter Permutationen an der Diderot Universität in Paris.
Seither forscht sie in diesen Disziplinen, zunächst als Nachwuchsforscherin mit Festanstellung am Laboratoire Bordelais de Recherche en Informatique in Bordeaux, seit vier Jahren an der UZH, wo sie unterdessen auch doziert. Sie entschied sich damals, ihrem Mann Valentin Féray zu folgen, der als Assistenzprofessor für Reine Mathematik nach Zürich berufen wurde.
Nach der Geburt des ersten Kindes wurde sie durch Marie Heim-Vögtlin-Beiträge des Schweizerischen Nationalfonds unterstützt. Sie richten sich an Nachwuchsforscherinnen, die ihre Studien aufgrund der familiären Situation unterbrechen. Unterdessen ist ein zweites Kind zur Welt gekommen und Mathilde Bouvel erhält nun auch den MHV-Preis im Betrag von 25'000 Franken. Mit dem Preis wird die wissenschaftliche Arbeit und Karriereentwicklung der Forscherin gewürdigt.
«Das Geld werde ich in die Kinderbetreuung investieren», sagt die Wissenschaftlerin, die eben vom Mutterschaftsurlaub ans Institut zurückgekehrt ist. Der SNF ersetzt übrigens die MHV-Beiträge durch das neue Förderinstrument PRIMA (Promoting Women in Academia) für exzellente Forscherinnen auf Postdoc-Stufe.
«Hier zu arbeiten ist ein Privileg» findet die Mathematikerin. Mathilde Bouvel arbeitet in einem Teilzeitpensum und ist sehr froh, Forschung und Familie vereinen zu können. Sie geniesst das familienfreundliche Umfeld auf dem Irchel-Campus, der in der Wissenschaftswelt hoch angesehen und bestens vernetzt sei. Weil sie nahe des Campus lebt, kann sie das Buschi sogar nebst der Arbeit regelmässig stillen. Und sich nachher mit klarem Kopf wieder neuen Permutationen widmen.