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Im Gegensatz zu Bakterien befindet sich das genetische Material von höheren Lebewesen im Zellkern bzw. Nukleus. Dessen äussere Hülle besteht aus der Zellkernmembran, in der zahlreiche Poren eingebettet sind. Durch diese Transportkanäle werden Moleküle in den Zellkern hinein bzw. von dort hinaus befördert. Unterhalb der Membran liegt die nukleäre Lamina, ein fadenartiges Geflecht von einigen Millionstel Millimetern Dicke. Dieses stabilisiert den Zellkern und schützt die darunterliegende DNA vor äusseren Einflüssen. Zudem spielt die Lamina eine wichtige Rolle bei essenziellen Prozessen im Zellkern – etwa die Organisation der Chromosomen, die Aktivität von Genen sowie die Verdoppelung des Erbmaterials vor der Zellteilung.
Nun konnten Forschende des Biochemischen Instituts der UZH unter der Leitung des Zellbiologieprofessors Ohad Medalia erstmals die molekulare Architektur der Zellkern-Lamina von Säugetierzellen im Detail aufklären. Die Wissenschaftler untersuchten Bindegewebszellen von Mäusen mittels Kryo-Elektronentomografie. «Dieses Verfahren kombiniert Elektronenmikroskopie und Computertomografie und erlaubt es, Zellstrukturen in einem quasi-natürlichen Zustand in Molekülauflösung dreidimensional sichtbar zu machen», erläutert Yagmur Turgay, Erstautor der Studie. Die Zellen werden – ohne Vorbehandlung mit schädlichen Chemikalien – in flüssigem Ethan bei -190 °C schockgefroren, wodurch die Zellstrukturen in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten bleiben.
«Das Lamin-Geflecht entspricht einer rund 14 Nanometer dicken Schicht, die sich direkt unterhalb der Porenkomplexe der Zellkernmembran befindet und die aus mehr oder weniger dicht gepackten Regionen besteht», beschreibt Yagmur Turgay die Architektur des Zellkern-Skeletts. Aufgebaut ist das Gerüst aus dünnen, fadenförmigen Gebilden unterschiedlicher Länge – den Lamin-Filamenten. Mit einer Dicke von nur 3,5 Nanometern sind die Filamente der Lamina viel dünner und filigraner als die Strukturen, die bei höheren Organismen das Zellskelett ausserhalb des Zellkerns bilden.
Die Grundbausteine der Filamente sind zwei Eiweisse – die Lamin-Proteine des Typs A und B – die sich aneinanderlagern. Diese bestehen aus einem länglichen Stamm und einer globulären Domäne; ähnlich einer Stecknadel mit Stecknadelkopf. Schon einzelne Mutationen im Lamin-Gen führen zu ganz unterschiedlichen, schweren Krankheiten wie vorzeitiges Altern (Progerie), Muskelschwund (Muskeldystrophien), Fehlverteilung des Fettgewebes (Lipodystrophien) und Erkrankungen des Nervensystems (Neuropathien). «Die Kryo-Elektronentomografie erlaubt es uns, zukünftig die strukturellen Unterschiede der nukleären Lamina von gesunden Menschen und von Patienten mit Mutationen im Lamin-Gen detailliert zu untersuchen», sagt Ohad Medalia. Diese Methode, so der Strukturbiologe, erlaube die Entwicklung neuer Krankheitsmodelle auf molekularer Ebene, die den Weg hin zu neuen therapeutischen Massnahmen eröffne.
Yagmur Turgay, Matthias Eibauer, Anne E. Goldman, Takeshi Shimi, Maayan Khayat, Kfir Ben-Harush, Anna Dubrovsky-Gaupp, K. Tanuj Sapra, Robert D. Goldman, Ohad Medalia. The molecular architecture of lamins in somatic cells. Nature. March 1, 2017. DOI:10.1038/nature21382