Navigation auf uzh.ch
Seit seiner Wiederkehr in die Schweiz vor rund 20 Jahren polarisiert der Wolf. Für die einen ist er ein blutrünstiges Wesen, für die anderen ein schützenswertes Wildtier. Fakt ist: Für die meisten Bewohnerinnen und Bewohner unseres Landes bleibt er unsichtbar, nicht mehr als 40 Wölfe leben zurzeit in der Schweiz. Die neue Sonderausstellung «Wolf – Wieder unter uns» im Zoologischen Museum der UZH gibt jedem die Möglichkeit, sich ein eigenes Bild vom Wolf zu machen. Vier künstlerisch gestaltete Dioramen führen Besucherinnen und Besucher in die Geschichte des Wolfs, seine Wiederkehr und Biologie sowie in sein Verhältnis mit uns Menschen ein. Die vom Naturhistorischen Museum Freiburg konzipierte Ausstellung richtet sich an Kinder, Erwachsene und Experten.
Mit dem Aufkommen der Viehzucht und den Übergriffen des Wolfs auf die Herden spitzte sich im 17. Jahrhundert das Verhältnis zwischen Mensch und Wolf zu. Der Wolf wurde als boshaftes, unersättliches und abscheuliches Wesen wahrgenommen. «Seinen schlechten Ruf hat er teilweise bis heute beibehalten», sagt Museumsleiterin Isabel Klusman. Die Ausstellung zeigt, wie man den Wolf seit dem Mittelalter mit ausgeklügelten Fallen, Gift oder mittels Treibjagd dezimiert hat. Dies führte bereits gegen Ende des 17. Jahrhunderts zu seinem Verschwinden aus weiten Teilen der Schweiz. 1684 wurde der letzte Zürcher Wolf geschossen. Museumsgängerinnen und -gänger entdecken den letzten Urner Wolf aus dem Jahre 1853. Bis weit ins 19. Jahrhundert organisierten Gemeinden grosse Treibjagden. Es waren bedeutende Anlässe, die mit einem Volksfest endeten und von den Gemeinden finanziert wurden.
Seit 1995 lebt der Wolf wieder hierzulande. Dem Apennin und den Alpen folgend sind Wölfe von italienischen Populationen in die Schweiz eingewandert – zuerst vorwiegend junge Männchen, denen Wölfinnen folgten. Ein wesentlicher Aspekt für die Rückkehr des Wolfs war die Ausdehnung des Waldes. Während 1840 der Waldanteil in der Schweiz 20 Prozent betrug, liegt er heute, überraschenderweise, bei mehr als 30 Prozent. Die dadurch steigende Anzahl an Beutetierarten vergrösserte das Nahrungsangebot des Wolfs. «Dies alles begünstigte die Rückkehr des Wolfs», erklärt Isabel Klusman. Eine Karte der Schweiz zeigt den Besuchenden, wo sich die Wölfe aktuell aufhalten. Darüber hinaus thematisiert die Ausstellung auch kritische Fragen, die mit der Wiederkehr des Wolfs verbunden sind: Kann der Wolf einer Herde grossen Schaden zufügen? Oder: Wie beeinflusst er die Jagd?
Dass der Wolf in die Schweiz zurückkehren konnte, hat auch mit seiner hohen Lernfähigkeit zu tun. Er findet sich schnell in einer neuen Umwelt zurecht und kann in fast jedem Habitat sein Territorium etablieren – Berge, Flachland, Wald oder besiedeltes Gebiet. Dank seiner belastbaren und leistungsfähigen Physis ist er ein vorzüglicher Jäger und legt beträchtliche Distanzen zurück, täglich durchschnittlich 25 Kilometer. Besucherinnen und Besucher können etwa den Weg von Wolf «Slavc» zurückverfolgen. Mit einem GPS-Tracker ausgerüstet, überwand er während seiner 2’000 Kilometer langen Reise mehrere Autobahnen, einen Flughafen, einen 2’600 Meter hohen Pass sowie einen 200 Meter breiten Fluss.
Das persönliche Bild vom Wolf ist das Ergebnis von Darstellungen und Geschichten, die wir seit unserer Kindheit immer wieder gesehen und gehört haben. In jedem Ausstellungsbereich können die Besuchenden ihr je eigenes Bild kritisch hinterfragen. Zwei Installationen fordern sie auf, die Frage «Ist der Wolf ein Problem?» zu beantworten. «Am Ende entscheidet das Publikum, ob der Wolf in der Schweiz Platz zum Überleben hat», resümiert Isabel Klusman. Eine kürzlich von Forschenden des Instituts für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der UZH durchgeführte Umfrage ergab: Ein Drittel der Schweizer Landesfläche, rund 13’800 km², eignet sich für den Wolf als Lebensraum, geduldet würde er jedoch nur auf rund 2'500 km².