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«Wir wollen Dozierende ermuntern, neue Ideen in der Lehre zu entwickeln und sie in der Realität zu erproben, zu variieren und zu verbessern», sagt Rektor Michael Hengartner. Zu diesem Zweck hat die UZH letztes Jahr den Lehrkredit ins Leben gerufen. Im Januar 2017 wurden fünfzehn Projekte bewilligt.
Wie unterschiedlich die Ansätze der geförderten Lehrformate sind, zeigen die vier Beispiele, die wir hier stellvertretend für alle anderen aufführen. Im ersten und zweiten Beispiel geht es um forschendes Lernen, im dritten um das spielerische Einüben komplexer Entscheidungsprozesse, im vierten um die Förderung von Schreibkompetenzen. Gemeinsam ist den Projekten, dass sie dem Prinzip des Learning by Doing folgen.
1. Politikwissenschaft
Grau ist bekanntlich alle Theorie, Praxisbezug dagegen bringt Farbe ins Studium. Am Institut für Politikwissenschaft ermöglicht ein sogenannter Capstone Course den Brückenschlag zwischen Forschung und Praxis. Die Idee: Fortgeschrittene Studierende bearbeiten möglichst selbständig Forschungsprojekte zu Fragestellungen externer Auftraggeber – und liefern professionelle Antworten. Sie lernen dabei, ihr theoretisches Wissen auf Praxisfälle anzuwenden. Im Auftrag der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) entwickelt zum Beispiel eine Studierendengruppe eine digitale Landkarte zur Migration. Die Karte soll zeigen, wie sich Flüchtlingsgruppen zusammensetzen und welche Routen sie wählen. Eine besondere Herausforderung ist dabei der Umgang mit heterogenen Datensätzen.
Der Lehrkredit ermöglicht es dem Institut für Politikwissenschaft, Erfahrung mit Capstone-Kursen zu sammeln, die in der Planung und Durchführung sehr aufwendig sind. Das Format ist keine neue Erfindung. Der Name leitet sich von einem Begriff aus der Baukunst ab: Als Schlussstein («capstone») bezeichnet man dasjenige Bauelement, das am höchsten Punkt eines Bogens zu dessen Stabilisierung eingesetzt wird. Entsprechend verbindet ein Capstone-Kurs Lehrinhalte des gesamten Studienprogramms. Vom Erstellen eines Forschungsdesigns über das Sammeln und Auswerten der Daten bis hin zur Präsentation der Ergebnisse führen die Studierenden alle Schritte eines Forschungszyklus durch. Nebenbei trainieren sie auch Soft Skills wie Präsentations-, Kommunikations, Organisations- und Managementkompetenzen.
2. Medizin
Ein Patient liegt bewusstlos in der Notfallstation: Eine Bluttransfusion wäre dringend nötig, um sein Leben retten zu können. Doch der Patient ist Zeuge Jehovas – man muss also davon ausgehen, dass er aus religiöser Überzeugung eine Bluttransfusion ablehnen würde. Was ist zu tun? Mithilfe des «gamifizierten E-Tools», das derzeit am Institut für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte entwickelt wird, können angehende Ärztinnen und Ärzte bald den Umgang mit ethischen Dilemmas trainieren. Als Teil des E-Tools ist ein sogenanntes Serious Moral Game vorgesehen – ein interaktives Set an ethisch komplexen Fällen, die es zu lösen gilt. Das E-Tool soll online verfügbar sein. Es wird den Präsenzunterricht in biomedizinischer Ethik nicht ersetzen, sondern ergänzen. Im kommenden Herbstsemester wird es erstmals zum Einsatz kommen. Ziel ist der standardisierte Einsatz im Medizinstudium.
3. Religionswissenschaft
Der Titel sagt bereits, worum es geht: Das Lehrprojekt «Von der Forschungshypothese zum Kongresspanel» vermittelt Einblicke in sämtliche Etappen eines historisch-religionswissenschaftlichen Forschungsprozesses. Am Beispiel von Kirchen, Synagogen, Moscheen und Tempeln in Zürich analysieren Studierende die kommunikativen Funktionen der Architektur von Sakralbauten. Thema ist etwa die Frage, auf welche Weise eine Fassade das Selbstbild einer Religion gegenüber der Gesellschaft zur Geltung bringt oder welche Aufgabe die Innenräume für die Selbstorganisation einer Gemeinde spielen. Die Seminarsitzungen finden mehrheitlich ausserhalb der Universität in unmittelbarer Nähe zum Untersuchungsgegenstand statt. Forschen, Lehren und Lernen sind auf diese Weise intensiv verknüpft.
4. Geografie
Das Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten will gelernt und geübt sein, doch die individuelle Förderung der Schreibkompetenzen ist zeitaufwändig. Gerade in Grossveranstaltungen ist eine detaillierte Beurteilung schriftlicher Arbeiten durch die Dozierenden kaum möglich. Das sogenannte «Calibrated-Peer-Reviewing» schafft hier Abhilfe. Kernidee dieser Methode ist, dass Studierende in einem strukturierten Prozess ihre schriftlichen Arbeiten gegenseitig beurteilen.
In einem ersten Schritt legen die Dozierenden Muster-Bewertungen mit klar definierten Kriterien vor. Im zweiten Schritt beurteilen Studierende anhand dieser Muster-Bewertungen drei schriftliche Arbeiten von Mitstudierenden. Schliesslich bewerten sie in einem dritten Schritt ihre eigene Arbeit. Eine Software unterstützt den Bewertungsprozess aufgrund der verschiedenen Beurteilungen, die je nach Genauigkeit und Tiefe unterschiedlich gewichtet werden können. Die Studierenden nehmen wechselweise die Autoren- und die Kritikerperspektive ein und erfahren so, worauf es beim Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten ankommt. Die Dozierenden begleiten den gesamten Prozess. Dank des Lehrkredits kann das an der University of California entwickelte «Calibrated-Peer-Reviewing» an der UZH erstmals erprobt werden.