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Allein ihr Anblick ist ein Augenschmaus: die Kalligraphien etwa von Goethes Gedicht «Die schöne Nacht» oder Schillers «Sehnsucht», zu sehen in der neuen Ausstellung «Kleine Brücke» im Völkerkundemuseum der Universität Zürich. Ebenso viel Freude bereitet das Lesen dieser ästhetischen Schriftbilder – von oben nach unten und von rechts nach links geschrieben. Die Gastausstellung des Universitären Forschungsschwerpunkts Asien und Europa widmet sich der traditionellen japanischen Schriftkunst (sho) und zeigt Werke der Künstlerin YAMAMOTO Iku. Das Faszinierende dabei: Sie überträgt die Grundelemente der traditionellen japanischen Kalligraphie auf das lateinische Alphabet.
Auf Japanisch geschriebene Kalligraphien sind für Menschen anderer Länder einzig Zeugnisse einer fremden Kultur. «Deshalb will YAMAMOTO Iku das lateinische Alphabet, das man ja in der Regel waagrecht schreibt, in der Weise von sho senkrecht schreiben», erklärt Raji C. Steineck, der Initiant der Ausstellung. Dadurch entdecken die Ausstellungsbesucherinnen und -besucher nicht nur die japanische Kalligraphie, sie können die Werke auch in ihrer eigenen Sprache lesen. Denn nur so lässt sich laut der Künstlerin jemandem, der kein Japanisch versteht, wirklich das Gefühl für sho vermitteln.
Die Kunst der Kalligraphie hat in Japan eine lange Tradition. Wörter, Gedichte oder Sinnsprüche erhalten durch die ästhetische Darstellung der Schrift eine zusätzliche Dimension – Tiefe, Dynamik oder auch Humor. Jede Kalligraphie wirkt anders. Ausschlaggebend ist die Eigenschaft des verwendeten Pinsels, die Stärke oder Leichtigkeit, mit der er je nach Art der Tusche und des Papiers geführt wird. Bei jedem Pinselstrich können wiederum Feinheit und Dicke, die Intensität des Farbauftrags frei gestaltet werden – so dass eine unendliche Vielfalt möglich wird.
Die Essenz der japanischen Kalligraphie liegt in der Gestaltung des freien Raumes um die mit Tinte geschriebenen Schriftzeichen. Dieser Gedanke fusst auf dem Zen-Buddhismus. «Grundlegend für die Kalligraphie ist die Erhaltung des Gleichgewichts der Bildfläche, die körperliche und geistige Kontrolle der Berührung von Pinsel und Papier, wodurch sich ein bewusster Gestaltungsprozess einstellt», schliesst Martina Wernsdörfer.