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Herr Gall, lassen Sie uns zuerst über die Erneuerung der Studienarchitektur an ihrer Fakultät sprechen. Wie sind die im letzten Herbstsemester eingeführten Änderungen bei den Studierenden angekommen?
Die neue Möglichkeit, ein Haupt- und ein Nebenfach zu wählen, hat Anklang gefunden, was mich natürlich freut, aber nicht unbedingt überrascht, denn der Anstoss zum Systemwechsel kam ja auch von den Studierenden.
Was war die wesentliche Änderung?
Unser früheres Studienangebot auf der Bachelor- und der Masterstufe bestand im Wesentlichen aus Monostudienprogrammen, wie zum Beispiel BWL, VWL, Banking & Finance oder Informatik. Seit dem Herbstsemester 2016 können die Studierenden ihr Studium viel flexibler selbst gestalten, indem sie ein Hauptfach und ein Nebenfach wählen.
Was ist der Vorteil dieser Studienarchitektur?
Die Studierenden können damit ihrer Ausbildung ein individuelles Profil geben, das auch im Abschlusszeugnis sichtbar wird und ihnen hilft, sich auf dem Arbeitsmarkt zu positionieren.
Können Sie Beispiele dafür geben, welche Spezialisierungsmöglichkeiten sich durch die Wahl des Nebenfachs bieten?
Die Idee ist, dass sich Bachelorstudierende breites Wissen aneignen können, auch fachübergreifend. Das Hauptfach BWL kann also beispielsweise mit Banking and Finance im Nebenfach kombiniert werden, wenn man sich für Finanzfragen interessiert. Oder aber mit Informatik, um sich für die zunehmende Digitalisierung zu rüsten. Im Master steht die Spezialisierung im Vordergrund: Eine VWL-Studentin kann sich zum Beispiel auf Behavioral Economics im Nebenfach spezialisieren und vertieft erlernen, wie psychologische Faktoren wirtschaftliche Entscheidungen beeinflussen. Ein BWL-Student, der später im Bildungssektor tätig sein möchte, wählt Managing Education als Nebenfach. Es gibt sehr viele Möglichkeiten: allein im Master bieten wir 15 Nebenfächer an.
Und wie steht es mit fakultätsübergreifenden Kombinationen?
Solche Kombinationen sind ebenfalls möglich und erwünscht. Ich kann mir da sehr spannende interdisziplinäre Konstellationen vorstellen – zum Beispiel die Kombination von Banking & Finance mit Ethik, oder die Kombination von Data Science und Kommunikationswissenschaft. Auch Recht ist als Nebenfach sehr beliebt. Mit der neuen Studienarchitektur können die Studierenden die Möglichkeiten der UZH als grosse und vielfältige Volluniversität viel besser ausschöpfen.
Das Studienprogrammangebot in der Informatik wurde besonders stark aufgegliedert, es umfasst aktuell fünf Hauptfächer. Warum setzen Sie in der Informatik auf ein so feingegliedertes Angebot?
Wir wollen möglichst transparent machen, was in der Informatik heutzutage alles gemacht werden kann. Informatik bedeutet nicht nur programmieren: Unser Fach ist ungeheuer facettenreich geworden. Wer Informatik studiert, erwirbt die Fähigkeit, die digitale Welt von morgen mitzugestalten – ob im Online-Handel, im Gesundheitswesen, in der Finanzwelt oder in den Medien. Für Studieninteressierte ist es im jetzigen System leichter zu erkennen, was sie von einem Informatikstudium an der UZH erwarten dürfen, und potentielle Arbeitgeber erkennen anhand der Abschlusszeugnisse besser, wo die spezifischen Kompetenzen der Studienabsolventinnen und -absolventen liegen.
Herr Gall, Sie stehen als Informatik-Professor an der Spitze der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Es ist eine Besonderheit der UZH, dass Informatik und Wirtschaftswissenschaften in derselben Fakultät vereint sind. Wie stark bestimmt diese Tatsache das Profil der UZH-Informatik?
Die Nähe zu den Wirtschaftswissenschaften prägt die UZH-Informatik sehr – und unterscheidet sie markant von Informatik-Instituten anderer Hochschulen. Während zum Beispiel ETH-Absolventen typischerweise Anstellungen in IT-Unternehmen finden, sind Informatikerinnen und Informatiker, die an der UZH studiert haben, besonders in der Finanz- und Versicherungsbranche gefragt. Der Schnittstellenbereich von Wirtschaft und Informatik hat ein enormes Zukunftspotential, insbesondere im Zeitalter der Digitalisierung.
Letztes Jahr wurde an der UZH die vielversprechende «Digital Society Initiative» – DSI – ins Leben gerufen. Welche Rolle spielt hier das Institut für Informatik?
Die Digital Society Initiative führt die Kompetenzen verschiedenster Disziplinen der UZH zusammen. Wir wollen die gesellschaftlichen Folgen der Digitalisierung aus unterschiedlicher Optik reflektieren und die technologische Entwicklung mitgestalten. Das Ziel des Projekts ist ehrgeizig: In fünf Jahren soll die UZH in Fragen der digitalisierten Gesellschaft ein Wissenszentrum der Schweiz sein. Das birgt grosse Chancen für das Institut für Informatik, dem in diesem Projekt eine Drehscheibenfunktion zukommt.
Sie haben als Dekan viel Energie in Akkreditierungen investiert. Die WWF darf sich heute zur erlesenen Gruppe von wirtschaftswissenschaftlichen Einrichtungen zählen, die gleich doppelt akkreditiert sind. Was bringen Akkreditierungen?
Akkreditierungen sind ein Ansporn, Zielsetzungen und Strategien in Lehre und Forschung zu überdenken und die Qualität auf allen Ebenen zu verbessern. Zudem ist ein erfolgreich durchgeführtes Akkreditierungsverfahren ein Leistungsausweis, der unserer Fakultät Sichtbarkeit und Ansehen verschafft. Ich bin stolz darauf, dass wir nach der Akkreditierung durch EQUIS 2015 im letzten Jahr auch wieder die Akkreditierung durch AACSB geschafft haben. Im deutschsprachigen Raum gibt es insgesamt nur sieben wirtschaftswissenschaftliche Fakultäten oder Business Schools, die diese beiden Akkreditierungen haben.
Wie würden Sie in drei Sätzen das Profil der WWF umschreiben?
Wir sind eine forschungsstarke Fakultät. In den Bereichen Verhaltensökonomie, Finance und Big-Data Analytics gehören wir zur Weltspitze, dazu kommen die Forschungsschwerpunkte «Finanzmarktregulierung» und «Soziale Netzwerke». Unser Studienangebot ist anspruchsvoll und gewichtet mathematisch-analytische Kompetenzen besonders hoch.
Gab es einen Bereich, in dem sich die Fakultät besonders angestrengt hat, um die Akkreditierungskriterien zu erfüllen?
In die Sicherung der Lehrqualität haben wir besonders viel Herzblut investiert: Ergänzend zu den üblichen Lehrveranstaltungsbeurteilungen haben wir zum Beispiel ein Evaluationssystem für komplette Studienprogramme eingeführt. Die Ergebnisse fliessen unmittelbar in die Weiterentwicklung der Curricula ein.
Sind Ethik, Nachhaltigkeit, gesellschaftliche Verantwortung bei Akkreditierungen eigentlich auch ein Kriterium?
Ja, ein sehr wichtiges sogar. Es gibt hier aber keinen Standard, wie genau eine Fakultät Ethik vermitteln soll. Wichtig ist, dass sie sich ernsthaft um dieses Thema bemüht. Wir hatten keine Mühe, glaubhaft nachzuweisen, dass dies auf unsere Fakultät zutrifft. Ethik ist als Thema in der Lehre bei uns gut und breit verankert. Dabei kommt es uns darauf an, Ethik nicht separat zur Ausbildung angehender Ökonominnen und Ökonomen hinzuzufügen. Wir nehmen das Thema aus den Wirtschaftswissenschaften heraus auf.
Warum?
Mit einem philosophisch-systematisierenden Zugang würden wir nur diejenigen Studierenden erreichen, die sich ohnehin schon für Ethik interessieren. Alle andern kann man für ethische Problemstellungen viel besser sensibilisieren, wenn man aus dem Fach heraus und anhand von Fallbeispielen erläutert, was Ethik für das ökonomische Handeln bedeutet. Indem man etwa der Frage nachgeht, wie in internationalisierten Produktionsketten Arbeitnehmerschutz durchgesetzt werden kann. Oder wie im Management Anreize für nachhaltiges Wirtschaften gesetzt werden können. Um das zu diskutieren, laden wir oft auch Persönlichkeiten ein, die sich in Unternehmen ganz praktisch mit solchen Fragen befassen.
Herr Gall, Sie sind seit bald fünf Jahren Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Was ist – aufs Ganze gesehen – Ihre persönliche Zwischenbilanz?
Die Fakultät hat die Reorganisationsanstrengungen der letzten Jahre erfolgreich umgesetzt. Wir haben eine neue Governance implementiert und unser Studienangebot neu gegliedert, wir haben unser Profil geschärft und arbeiten permanent an der Strategie zur Weiterentwicklung der Fakultät. Die Internationalisierung ist sehr weit fortgeschritten, drei Viertel der Professorinnen und Professoren, fast ein Drittel der Doktorierenden und ein Drittel der Masterstudierenden sind internationaler Herkunft.
Sie stehen nun in ihrer dritten Amtszeit als Dekan. Welches sind Ihre Ziele für die weitere Entwicklung der Fakultät?
Wir wollen die internationale Vernetzung weiter intensivieren. Wir wollen es unseren Studierenden erleichtern, Auslandsemester zu absolvieren, und noch mehr strategische Allianzen mit sehr guten ausländischen Universitäten bilden. Zudem wollen wir den Alumni-Bereich stärken – zum Beispiel, indem wir unsere Studierenden schon möglichst früh in das Netzwerk einbinden. Eines meiner prioritären Anliegen ist zudem die Sichtbarkeit unserer Fakultät in der Gesellschaft. Es ist mir wichtig, dass ein breites Publikum weiss und versteht, was wir tun. Ökonomie und Informatik sind Triebfedern der Gesellschaft, und was bei uns passiert, geht alle an.