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Welche Rolle spielt die Schweiz in der europäischen Forschungslandschaft?
Jean-Pierre Bourguignon: Die Schweiz hat eine lange Forschungstradition. In den letzten zwanzig, dreissig Jahren hat sich diese Position noch weiter verstärkt. Die Regierung stellt mehr Geld für Wissenschaft zur Verfügung, mit der Konsequenz, dass das Niveau der ETH Zürich, EPFL und andere Universitäten wie auch der Universität Zürich viel höher geworden ist als früher. Heute können sie die besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anlocken. Die Schweiz ist extrem sichtbar auf der Karte der Wissenschaft – global gesehen. Das hat auch mit ihrer internationalen Ausrichtung zu tun. Die Schweiz ist viel internationaler geworden. Das bedeutet, dass es für ausländische Forschende leichter geworden ist, sich in der Schweiz zuhause zu fühlen.
Was kommt nach Horizon 2020?
Ich kann dazu noch nichts sagen, weil es nicht vom ERC, sondern vom EU-Budget abhängt. Da Grossbritannien wegfallen wird, sind Unsicherheiten entstanden. Es gibt jedoch viele Anzeichen dafür, dass das Budget für Forschung und Innovation grösser sein wird. Der Bericht einer EU-Arbeitsgruppe unter der Leitung des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti empfahl Ende 2016 explizit, für Forschung und Innovation sowie für die interne und externe Sicherheit mehr zu investieren.
«Horizon 2020» hat einen Umfang von rund 80 Milliarden Euro. Das nächste Rahmenprogramm könnte auf 120 bis 160 Milliarden für die Periode 2021 bis 2028 aufgestockt werden. Über entsprechende Vorschläge wird nun in Brüssel diskutiert.
Welche Forschungsprojekte sollen in Zukunft gefördert werden?
Sehr oft behaupten Politiker, dass man den Wissenschaftlern nicht die Entscheidungen über ihre Forschungsthemen überlassen könne, weil sie in einem Elfenbeinturm lebten. Was wir jedoch sehen, ist genau das Gegenteil: Sehr viele Projekte, die dem ERC vorgelegt werden, drehen sich um aktuelle Themen, wie Energieproblematik, Migration oder Klimawandel. Das zeigt doch, wie sehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daran interessiert sind, aktuelle Probleme der Gesellschaft anzupacken und ihren Beitrag zur Lösung zu leisten.
Als Präsident des EU-Forschungsrats verteidige ich gegenüber den EU-Kommissaren die Forschungsfreiheit. Man muss den Forschenden nicht sagen, was sie tun sollen. Im Gegenteil, sie sehen die wichtigen Problemstellungen und die damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Herausforderungen selbst. Wenn die Politik die Forschungsvorhaben vorschreiben würde, wäre das ganz schlecht. Deshalb sind wir für die Forschungsfreiheit, auch wenn das Geld aus der Politik kommt.