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Wir haben es selbst in der Hand, wie wir mit Alltagsstress umgehen, stellte Beate Schulze zu Beginn ihres Vortrags in der Reihe «Wissenschaf(f)t Wissen» des Zentrums für Integrative Humanphysiologie (ZIHP) der Universität Zürich fest.
Aber was ist überhaupt Stress und warum kann Stress für uns schädlich sein? Das Gefühl von Überforderung und Hilflosigkeit löst eine biologische Stressreaktion aus. Diese Reaktion ist unbewusst und läuft völlig automatisch nach dem Reiz-Reaktions-Schema ab. Gefährlich wird es, wenn wir uns permanent in diesem Zustand befinden und dadurch langfristig emotional und physisch Schaden nehmen.
Internet, Computer, Smartphone und die damit verbundene digitale Informationsflut stellen eine Quelle hochpotenter Stimuli dar, die rund um die Uhr auf uns einprasseln. Dabei steigt die Gesamtmenge an Information stetig an. Die zunehmend digitale Welt bewirkt, dass wir immer online - «always on» - sind. Und alles, was wir in unserem Online-Leben tun, wird sichtbar.
Wie kann man sich vor der Überforderungen durch die digitale Welt schützen? Beate Schulze – Kursleiterin für Stressmanagement im Berufsalltag und Gründungsmitglied des Schweizer Expertennetzwerks für Burnout (SEB) – empfahl dazu im Rahmen ihres Vortrags an der UZH eine einfache Achtsamkeitsübung – die sogenannte «STOP»-Taktik. STOP steht dabei für Innehalten (Stop), Durchatmen (Take a breath), Beobachten (Observe) und Weitermachen (Proceed). Beim Beobachten der eigenen Reaktionen kommt es darauf an, nicht zu werden oder zu hadern.
Schulze zitierte den Neurologen und Psychotherapeuten Viktor Frankl, um zu zeigen, wie wichtig es ist, innezuhalten und Grenzen zu setzen: «Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. Und in diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion.» Ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, die Wahl zu haben, sei entscheidend, um sich gegen Stress zu wappnen, sagte Schulze. Es gelte, Grenzen zu setzen.
Die tägliche Flut an Informationen kann Menschen genauso überfordern wie die Vielfalt an Möglichkeiten, sich in Beruf, Familie, Freundeskreis und Gesellschaft zu engagieren. Dringende Dinge, aber auch unwichtige, werden oft schnell erledigt – hingegen bleiben gerade die Dinge, die uns persönlich wichtig sind, oft liegen. Schulze empfahl daher, sich mindestens drei Dinge pro Woche vorzunehmen und auch zu erledigen, die einem persönlich wichtig sind.
Man muss also lernen, Prioritäten zu setzen und auch einmal Nein zu sagen. Dies gilt zum Beispiel auch in der elektronischen Kommunikation. «Senden sie 30 Prozent weniger E-Mails, dann erhalten Sie auch 30 Prozent weniger E-Mails», sagte Schulze.
Der beste Schutz gegen Stress sei ein verlässliches soziales Umfeld, sagte Schulze. Die Pflege tragfähiger Beziehungen sei deshalb von grösster Bedeutung. Zudem sei es wichtig, sich vom Arbeitsalltag richtig zu erholen.
In Japan ist es in vielen Unternehmen üblich, zweimal im Jahr zu einer heissen Quelle zu reisen, um sich zu regenerieren. Wichtig ist dabei, sich in der Freizeit nicht zu sehr unter Druck zu setzen. Wer beispielsweise zum Ausgleich Sport treibt, sollte nicht auf die maximale Leistung, sondern primär auf den Erholungseffekt Wert legen. Zudem ist es auch wichtig, Interessen zu verfolgen, die einem Spass machen und die man freiwillig gewählt hat.
Das Idealmodell für die Balance von Be- und Entlastungsphasen sei ein Ausgleich im Tages- oder Wochenrhythmus, sagte Schulze. Das Realmodell sieht für die meisten Menschen oft anders aus. Sie suchen den einzigen Ausgleich in den Ferien. Dabei stellen die Ferien oft eine zusätzliche Stressquelle dar: Stau am Gotthard oder Kakerlaken im Hotelzimmer lassen den Erholungswert schnell sinken. Kleine Pausen und Erholungsphasen in kurzen Abständen sind wichtig und langfristig viel effektiver als ein grosser Urlaub, erklärte Schulze.
Wichtig für effektive Entspannung ist guter und erholsamer Schlaf – und eine positive Einstellung. Menschen nehmen oft eher das Negative als das Positive wahr. Wenn man sich vor dem Schlafengehen selber nochmals vergegenwärtigt, was man am Tag erreicht hat, schläft und erholt man sich besser. Es ist also auch eine Frage der Selbstwahrnehmung und der Achtsamkeit, ob man seine eigenen Stärken und Erfolge selber erkennen kann.
Als Gewährsmann für diese Haltung nannte Beate Schulze in ihrem Vortrag den chinesischen Philosophen Lao-Tse. Der habe gesagt: «Nimm dir jeden Tag eine halbe Stunde Zeit für deine Sorgen, und in dieser Zeit mache ein Schläfchen.»