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Wie viele Arten in einer bestimmten Region nebeneinander existieren können, ist von zahlreichen Faktoren abhängig. In grossen Gebieten mit ähnlichen Eigenschaften finden sich in der Regel mehr Arten als in kleinen Gebieten. Sind mehrere ähnliche Lebensräume miteinander verbunden, erhöht sich die Biodiversität zusätzlich. In Gebirgsregionen spielen zudem Faktoren wie Temperatur, biologische Produktivität und Exposition eine grosse Rolle. Forschende der ETH Lausanne, der Universität Zürich und der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag) haben die im Flachland gewonnenen Erkenntnisse auf Gebirgsregionen übertragen und haben so eine neue Erklärung dafür gefunden, weshalb der Artenreichtum in mittleren Höhenlagen am grössten ist.
«In Gebirgsregionen bilden Gipfel und Täler isolierte Lebensräume – ähnlich wie Inseln im Meer. Die Gebiete in mittleren Höhenlagen sind dagegen stark miteinander verbunden», erklärt Enrico Bertuzzo, Forscher am Labor für Ökohydrologie der ETH Lausanne und Erstautor der Studie. «Je grösser und je vernetzter ein Lebensraum ist, desto höher ist die Biodiversität, während in isolierten Gebieten nur wenige Arten anzutreffen sind. Wir nahmen daher an, dass die Topografie selbst eine Schlüsselrolle in der Regulierung einnimmt, wie sich der Artenreichtum mit der Höhenlage verändert.»
Die Biodiversität wird häufig auf der Basis von idealisierten kegelförmigen Bergen untersucht, bei denen man davon ausgeht, dass in vergleichbaren Höhenlagen auch ähnliche Lebensräume zu finden sind. In diesen Modellen werden die Lebensräume mit zunehmender Höhe immer kleiner. Man geht davon aus, dass die Biodiversität am Fuss des Kegels am grössten ist und nach oben hin laufend abnimmt. Das Forschungsteam hat einen aufwendigeren Forschungsansatz verfolgt. «Anstatt die Gebirgslandschaft auf eine perfekte Kegelform zu vereinfachten, wollten wir die Landschaft in ihrer vollen Komplexität berücksichtigen», betont Mitautor Florian Altermatt vom Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der Universität Zürich.
Um ihre Annahme zu überprüfen, dass die Landschaftsstruktur selbst die Biodiversitätsmuster beeinflussen, haben die Wissenschaftler in einer Computersimulation zahlreiche virtuelle Arten in einer Gebirgslandschaft ausgesetzt. Jeder virtuellen Art wurde eine für ihre Verbreitung optimale Höhenlage zugewiesen und diese wurden einheitlich auf alle berücksichtigten Lagen verteilt. Dann liessen die Forschenden die virtuellen Arten um Lebensräume in den Gebieten konkurrieren, die basierend auf realen Landschaften modelliert wurden. Die Simulationen haben die Annahme bestätigt: «Die in der Natur zu beobachtenden Biodiversitätsmuster lassen sich allein schon durch die jeweilige Topografie erklären. Andere Faktoren wie Temperatur, Produktivität etc. spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, sie kommen einfach zusätzlich zum Effekt der Landschaftsstruktur zum Tragen», erläutert Altermatt.
Angesichts einer immer wärmer werdenden Welt sind diese Ergebnisse von spezieller Relevanz. Bertuzzo zieht folgenden Schluss: «Nur wenn wir den Zusammenhang zwischen Höhenlage und Biodiversität kennen, können wir die räumliche Neuverteilung der Arten infolge des Klimawandels vorhersagen. Steigen die Temperaturen, verschieben sich die Lebensräume von Tier- und Pflanzenarten in höhere Lagen. Eine bestimmte ökologische Gemeinschaft findet dort hinsichtlich Verfügbarkeit und Vernetzung ihres Lebensraums ganz andere topografische Gegebenheiten vor. Unsere Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, diese Faktoren bei der Prognose künftiger Veränderungen zu berücksichtigen.»
Enrico Bertuzzo, Francesco Carrara, Lorenzo Maric, Florian Altermatt, Ignacio Rodriguez-Iturbe, and Andrea Rinaldoa. Geomorphic controls on elevational gradients of species richness. Proceedings of the National Academy of Sciences. February 1, 2016. doi: 10.1073/pnas.1518922113