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Vermeintlich alltägliche körperliche Tätigkeiten werden zur Tortur, Treppensteigen ist nur noch mit grosser Mühe möglich, oft sind Patienten gar ans Bett gefesselt und ständig müde. «Herzinsuffizienz ist eine tragische und derzeit leider auch unheilbare Krankheit. Diese Diagnose bedeutet in der Regel ein Todesurteil», sagt Ursula Quitterer, Professorin für Molekulare Pharmakologie an der UZH und der ETH Zürich.
Mit Herzinsuffizienz sind schwere Verlaufsformen der Herzschwäche gemeint. Betroffen sind davon meist alte Menschen mit vorbestehenden Kreislauferkrankungen. Ihr Herz ist nicht mehr in der Lage, genügend Blut durch den Körper zu pumpen. Die derzeit einzige Handhabe von Ärzten: Sie können das Fortschreiten der Krankheit hinauszögern – unter anderem mit Medikamenten, welche den Blutdruck und die Herzfrequenz senken und damit das Herz schonen – oder die Transplantation eines Kunstherzens oder Spenderherzens ins Auge fassen.
Quitterer und ihre Kollegen haben nun in mehreren Mausmodellen einen neuen pharmazeutischen Therapieansatz entwickelt. «Damit ist es uns gelungen, die reduzierte Pumpleistung des kranken Herzens zu erhöhen, sowie das Fortschreiten der Krankheit – ein eigentlicher Teufelskreis – zu verlangsamen», sagt Joshua Abd Alla. Er führt als Arzt in der Gruppe von Quitterer eine naturwissenschaftliche Doktorarbeit durch und ist Erstautor der in der Fachzeitschrift «Journal of Biological Chemistry» veröffentlichten Forschungsarbeit.
Konkret haben die Forschenden in Mäusen ein Enzym mit der Bezeichnung GRK2 gehemmt, welches in Herzen von Herzinsuffizienz-Patienten in erhöhten Konzentrationen vorkommt. Die Wissenschaftler benutzen dazu ein kleines Proteinbruchstück (Peptid), welches sich an GRK2 anlagert. Das Peptid verhindert, dass das Enzym nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip an seine Rezeptoren binden und damit seine biochemische Funktion wahrnehmen kann.
Die Hemmung von GRK2 hat zweierlei Auswirkungen: Einerseits regt dies das Kontrahieren der geschädigten Herzmuskelzellen an. Für sich alleine genommen wäre eine solche Leistungssteigerung bei einem versehrten Herzen jedoch kontraproduktiv, denn das Herz würde noch stärker geschädigt.
Doch GRK2 ist auch ein biochemischer Akteur im Energiestoffwechsel, der im Endstadium der Herzinsuffizienz in Herzmuskelzellen gestört ist. Dazu kommt es, weil die Herzmuskelzellen nicht mit ausreichend Sauerstoff versorgt werden, vermuten die Wissenschaftler. Als Folge davon müssen die Zellen ihre Energieversorgung von Fettverbrennung auf Zuckerverbrennung umschalten. Langfristig führt dies dazu, dass Fettprodukte in Herzmuskelzellen eingelagert werden, was diese schädigt und zu ihrem Absterben führt. Es kommt zu einem Teufelskreis: mehr Fett in Herzmuskelzellen – Herzmuskelzellen sterben ab – sinkende Pumpleistung des Herzens – grösserer Sauerstoffmangel – mehr Fett in Herzmuskelzellen.
«Wenn man GRK2 hemmt, kann man verhindern, dass die Herzmuskelzellen auf den Zuckerstoffwechsel umschalten. Man kann damit den Teufelskreis durchbrechen», erklärt Quitterer. Dies konnten die Wissenschaftler in Mäusen zeigen, die als Folge einer genetischen Veränderung oder eines chirurgischen Eingriffs an Herzinsuffizienz litten. In Herzmuskelzellen von Mäusen, bei denen die Wissenschaftler GRK2 hemmten, war weniger Fett eingelagert.
Die Forschenden halten es für denkbar, den neuen Therapieansatz auf den Menschen zu übertragen – ergänzend zu den bisherigen Therapien, wie sie betonen. Dazu ist jedoch noch viel Entwicklungsarbeit nötig. So arbeiteten die Wissenschaftler in ihren Experimenten mit genetisch veränderten Mäusen, welche den hemmenden Wirkstoff in den Herzmuskelzellen selbst herstellen.
Theoretisch wäre es möglich, diesen Ansatz bei Menschen anzuwenden – mittels Zelltherapie, was allerdings sehr aufwändig ist. Einfacher wäre eine Therapie mit einem oral zu verabreichenden Medikament. Das in den Mausexperimenten verwendete hemmende Peptid eignet sich dazu nicht. Denn Peptide werden im Verdauungssystem zersetzt und gelangen nicht über das Blut ins Herz. «Es wäre jedoch möglich, nach anderen Molekülen zu suchen, welche dieselbe Wirkung haben wie unser Peptid», sagt Quitterer.