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Ein bestens gelaunter Klaus von Klitzing unterhielt den gut besuchten Hörsaal auf dem Campus Irchel zunächst mit Bonmots und Bildern zu seinem Nobelpreis für Physik, den er 1985 im Alter von gerade mal 42 Jahren erhalten hat.
Der heutige Co-Direktor und Honorarprofessor am Max Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart erhielt die noble Ehrung für seine Arbeiten am «High Magnetic Field Laboratory» in Grenoble. 1980 identifizierte er dort spätnachts einen überraschenden Quanteneffekt im Zusammenhang mit der Hall-Spannung bei tiefen Temperaturen und starken Magnetfeldern. Die Hall-Spannung entsteht, wenn sich elektrische Ladungen in einem Magnetfeld bewegen.
Nur fünf Jahre später erhielt er dafür den Nobelpreis, als alleiniger Preisträger – was die enorme Bedeutung des Klitzing-Effekts, wie das Phänomen auch genannt wird, unterstreicht. «Erste Lehre, arbeiten Sie spätnachts», meinte er zu den vielen Zuhörern im gut besuchten Vorlesungssaal.
Zweitens, meinte er augenzwinkernd, sei man für Nobelpreise gerade in der Schweiz aufgrund des hohen Prokopf-Konsums von Schokolade in einer guten Ausgangslage. Und belegte die Aussage mit einer Graphik, in der die Zahl der Nobelpreise pro Land gegen den Schokoladen-Konsum aufgetragen war.
Eingeladen nach Zürich wurde der renommierte Physiker von Studierenden des Fachvereins Physik. Wie Céline Nauer vom Vorstand des Fachvereins erläuterte, habe man den begehrten Referenten vor anderthalb Jahren kontaktiert und mit Glück noch einen freien Termin diesen Frühling gefunden. «Wir laden regelmässig erfolgreiche Wissenschaftler als ‘Albert Einstein Ehrengast’ ein, um von ihren Erfahrungen zu lernen,» so die Physik-Studentin.
Im Vorfeld des öffentlichen Vortrags verbrachte von Klitzing mehrere Tage an der Universität und diskutierte mit Studierenden und Dozierenden aktuelle Forschungsthemen sowie die Bedingungen, unter denen Forschung gedeiht. «Bleibt neugierig und begeistert», lautet einer seiner Ratschläge. «Und verbringt nicht zu viel Zeit am gleichen Ort», ein weiterer. Klaus von Klitzing selbst kann auf mehrere Auslandaufenthalte an renommierten Instituten in England, Frankreich und den USA zurückblicken – Erfahrungen, die er den Nachwuchsforschenden wärmstens empfahl.
Klaus von Klitzings amüsante Geschichten und Erfahrungen rund um den Nobelpreis bildeten den Rahmen für ein ernstes Thema: Die Neudefinition physikalischer Einheiten. Im Rahmen des Internationalen Einheitensystems SI (Système International d'Unités) sollen ab 2018 alle physikalischen Einheiten auf sieben fundamentale Naturkonstanten wie die Lichtgeschwindigkeit, das Plancksche Wirkungsquantum oder die Elementarladung zurückgeführt werden können.
Das gilt auch für das Kilogramm als Einheit für die Masse, die noch auf das bei Sèvres in der Nähe von Paris gelagerte Urkilogramm zurückgeht. Das aus einer Platin-Iridium-Legierung bestehende Kilogramm hat allerdings ausgedient, weil es kontinuierlich leichter wird – im Nanobereich zwar, aber messbar. «Wir wissen gar nicht mehr genau, wie schwer ein Kilogramm eigentlich ist», erklärte von Klitzing und präsentierte Bilder der feierlichen Zeremonie, während der die Hüter der SI-Einheiten das in einem Tresor versorgte Kilogramm begutachten.
Im Unterschied zur Zeit oder Länge, die auf Schwingungsfrequenzen von Atomen oder Bruchteilen der Lichtgeschwindigkeit zurückgeführt werden können, lässt sich das Gewicht nicht direkt aus einer Naturkonstante ableiten.
Eine Möglichkeit zur Neudefinition des Kilogramms bietet die Wattwaage. «Das Gewicht wird über den Vergleich von elektrischer und mechanischer Kraft hergeleitet», erläuterte von Klitzing. Bei diesem recht komplexen Messverfahren wird das Kilogramm in einer Serie von Messungen auf das Planksche Wirkungsquantum zurückgeführt. Bei diesem Vergleich von elektrischer und mechanischer Leistung spielen der Quanten-Hall-Effekt sowie der Josephson Effekt eine wesentliche Rolle. Sie verbinden die makroskopische Grösse des Kilogramms mit der mikroskopischen Quantenwelt. «Der Quanten-Hall-Effekt erlaubt eine hochpräzise Messung des Plankschen Wirkungsquantums», erläuterte von Klitzing – und damit des Kilogramms.
Damit zeitigt die bahnbrechende Entdeckung von 1980 fast 40 Jahre später Folgen, an die der Physiker damals nicht im Traum gedacht hat. Und so ist definitiv nicht eingetreten, was der Nobelpreisträger befürchtete, nachdem er das berühmte Telefon aus Stockholm entgegengenommen hat: «Von jetzt an kann es nur noch bergab gehen,» habe er sich damals angstvoll gesagt. Sein unterhaltender Vortrag erntete langen Applaus.