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Die Schweiz gehört weltweit zu den Ländern mit dem höchsten Pro-Kopf-Konsum von Fair-Trade-Produkten. Der Verbrauch von Produkten, bei denen den Käufern garantiert wird, dass Produzenten und Arbeiter faire Preise bzw. Löhne erhalten, unterscheidet sich aber markant zwischen den Gesellschaften. Unsere deutschen Nachbarn geben dafür vergleichsweise wenig aus. Dies ist erstaunlich, denn Deutschland unterscheidet sich von uns nicht stark in seiner wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung. Die Gründe für diesen länderspezifischen Unterschied haben Soziologen der Universität Zürich gemeinsam mit dem Institut für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt erhoben. Sie befragten dazu rund 3'900 Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Zürich und der Stadt Köln und analysierten in diesen Städten die Kaufgelegenheiten für Fair-Trade-Produkte.
Die Datenauswertung zeigt: Einkommensunterschiede sind nicht bedeutsam für das höhere Konsumniveau in der Schweiz – obwohl die Schweizer Befragten im Durchschnitt über eine höhere Kaufkraft verfügen als Deutsche. Hingegen erhöht die bessere Verfügbarkeit fair gehandelter Produkte in den Läden der Stadt Zürich den Konsum. Und: Ausschlaggebend ist vor allem die in der Schweiz stärker ausgeprägte moralische Verpflichtung zum Kauf von Fair-Trade-Produkten: «Es sind primär Differenzen in den Überzeugungen und der Marktstruktur, die für das höhere Konsumniveau verantwortlich sind. Unterschiede in der Kaufkraft scheinen keine Rolle zu spielen», sagt Jörg Rössel, Professor für Soziologie an der Universität Zürich.
Die Studienautoren haben jedoch nicht nur Unterschiede zwischen der Schweiz und Deutschland, sondern auch zwischen Schweizern und Deutschen, die in Zürich leben, untersucht. Zwar finden sich Differenzen zwischen Schweizern und Deutschen, die erst seit kurzem in Zürich ansässig sind, doch verschwinden diese mit zunehmender Aufenthaltsdauer. «Der geteilte soziale Kontext scheint über die Zeit hinweg dazu zu führen, dass sich die Überzeugungen der Personen angleichen. In der Folge ist auch der Konsum von fair gehandelten Produkten identisch», interpretiert Patrick Schenk, Assistent am Soziologischen Institut der Universität Zürich, diesen Befund.
Dass die Erhebungen in zwei urbanen Zentren stattfanden, sollte laut Autoren die Verlässlichkeit der Resultate nicht beeinträchtigen. Im Gegenteil: Die Wahl zweier Stadtgebiete stärkt die Vergleichbarkeit der Untersuchungspopulationen. Für Georg Sunderer vom Institut für sozial-ökologische Forschung demonstrieren die Befunde «die Wichtigkeit des Zusammenspiels von sozialem Kontext und individuellen Überzeugungen, wenn es um die Erklärung der Länderunterschiede beim Konsum fair gehandelter Produkte geht.»
Schenk, Patrick, Georg Sunderer, und Jörg Rössel. 2016. Sind Deutschschweizer altruistischer als Deutsche? Ein Vergleich des Konsums fair gehandelter Produkte in Deutschland und der Schweiz. Berliner Journal für Soziologie:1–26. October 18, 2016. doi:10.1007/s11609-016-0312-4